Mordkommission
In diesem Zusammenhang geriet eine bestimmte Person in den Fokus unserer Ermittlungen, und
es gab den Verdacht, die Leiche könnte in einem Baggerweiher versenkt worden sein. Daher veranlassten wir mehrfach eine Absuche
der in Frage kommenden Gewässer. Speziell ausgebildete Polizeihunde, die von Booten aus Leichen unter Wasser erschnüffeln
können, kamen ebenso zum Einsatz wie Hubschrauber, die aus der Luft die teils sehr klaren und nicht allzu tiefen Gewässer
nach Auffälligkeiten überprüften. Entdeckten die Piloten einen verdächtigen Gegenstand, wurden Taucher der Bereitschaftspolizei |172| eingesetzt, um die Objekte abzuklären. Dabei wurde manch illegal entsorgter Gegenstand aufgestöbert, jedoch nichts, was mit
unseren Ermittlungen in Einklang zu bringen gewesen wäre. In einem Fall wurde eine große Eisfläche, die einen der Baggerweiher
zur Hälfte bedeckte, mit Hilfe des Rotors eines niedrig fliegenden Hubschraubers auf die andere Seeseite »hinübergeblasen«,
sodass die Taucher den frei gewordenen Seebereich ebenfalls absuchen konnten.
Als wir Monate später wieder einmal mehrere Weiher durch Taucher absuchen ließen, entdeckten sie zwei Fahrzeuge. Über Funk
gaben sie uns gleich die Marken und die Kennzeichen durch. Die Überprüfung der beiden Kennzeichen ergab, dass diese nicht
existierten. Die Spannung wuchs. Wer konnte ein Interesse daran haben, zwei Fahrzeuge mit offensichtlich falschen Kennzeichen
auszustatten, um sie dann in einem Baggerweiher zu versenken?
Mit Hilfe ausgeklügelter Seilführungen gelang es, beide Fahrzeuge nacheinander über das Steilufer nach oben zu ziehen. Doch
als sie mit dem Heck voran auftauchten, machte sich Enttäuschung breit: Beide Fahrzeuge lagen offensichtlich schon jahrelang
am Grund des Sees; sie waren von Algen überzogen und vollgelaufen mit Schlamm. Im Inneren der Fahrzeuge befand sich ebenso
wenig Aufregendes wie in den Kofferräumen. Jetzt wurde auch klar, warum die Kennzeichen nicht vergeben waren: Sie waren schlicht
vor langer Zeit gelöscht und seitdem nicht mehr neu ausgegeben worden, da die einst zugehörigen Fahrzeuge nicht auffindbar
waren. Da der Baggersee in der Nähe eines Autokinos lag, in dem seit vielen Jahren an den Wochenenden ein privater Automarkt
abgehalten wurde, lag die Vermutung nahe, dass sich die Besitzer dieser Rostlauben ihrer Fahrzeuge durch Versenken entledigt
hatten, nachdem sie sich als unverkäuflich erwiesen hatten.
Wir stellten schließlich fest, dass uns die Spur, die uns in das nahe Umfeld des Opfers geführt hatte, nicht weiterbringen
würde. Dementsprechend verstärkten wir nochmals unsere |173| Anstrengungen, Hinweise zu entdecken, die uns neue Ermittlungsrichtungen eröffnen könnten. Rund neun Monate nach Übernahme
der Ermittlungen durch meine Mordkommission wies mich unser Hauptsachbearbeiter eines Morgens auf einen merkwürdigen Umstand
hin, auf den er gestoßen war. Am Tag vor dem Verschwinden des Konditors war von seinem Konto ein Betrag von mehr als tausend
Euro an eine Frau in der Gemeinde Hof für den Kauf von »antiken Backformen« überwiesen worden. Außerdem war das Handy dieser
Frau zum gleichen Zeitpunkt in der Nähe des Hauses des Vermissten geortet worden. Diese beiden Faktoren, für sich betrachtet,
wären nicht weiter auffällig gewesen. Das Opfer hatte immer wieder Sammelstücke auf Flohmärkten landauf, landab erworben,
sodass diese Überweisung völlig unverdächtig erschien. Auch war plausibel, warum sich die Frau offenbar am dritten Januar
bei dem Vermissten aufgehalten hatte: Wahrscheinlich hatte sie die anschließend gleich per Überweisung bezahlten »antiken
Backformen« persönlich abgeliefert. Richtig interessant wurde die Transaktion jedoch, als sich bei einer routinemäßigen Überprüfung
der Hofer Wohnadresse der Frau und damit aller Hausbewohner herausstellte, dass dort auch ein früherer flüchtiger Bekannter
des Opfers gemeldet war. Dieser Mann war – wie sich erst jetzt herausstellte – etliche Monate vor dem Verschwinden des Konditors
auf Vermittlung einer gemeinsamen Bekannten einmal ein Wochenende lang bei diesem untergekommen, als er kurzfristig eine Arbeit
als Messebauer in München bekommen hatte. Später hatte Günter W. anderen Bekannten gegenüber angedeutet, dass er diesen Mann
nicht noch einmal bei sich aufnehmen möchte. Über die Gründe für diese Haltung sprach er nicht.
Besonders auffällig
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