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Mordkommission

Titel: Mordkommission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ohne Leiche
    Das mysteriöse Verschwinden eines Mannes stand zu Beginn des Jahres 2005 im Mittelpunkt unserer Ermittlungen. Die von ihrem
     Mann getrennt lebende Frau hatte den Konditormeister Günter W. als vermisst gemeldet. Seit der Nacht vom 3.   Januar auf den 4.   Januar war er nicht mehr zu erreichen gewesen und hatte zwei für ihn wichtige Termine – einen Theaterbesuch mit Freunden und
     den achtzigsten Geburtstag seiner Schwiegermutter – versäumt. Deshalb wandte sie sich am 7.   Januar an die Polizei.
    Einer seiner beiden Söhne, Ulrich W., war vorab mit seiner Freundin zum Haus des vermissten Günter W. gefahren, um nach dem
     Verbleib seines Vaters zu forschen. Dieser bewohnte das Haus allein. Dort kam ihm einiges merkwürdig vor, an einer Bettdecke
     im Arbeits- beziehungsweise Schlafzimmer des Vermissten waren geringe Blutspuren. Außerdem klingelte immer wieder das Telefon,
     und Leute wollten auf ein Inserat in der Tageszeitung hin das Haus mieten. Das Inserat war am 4.   Januar aufgegeben worden, genannt war ein falscher Stadtteil, aber die richtige Festnetznummer des Vermissten. Besonders auffällig
     war, dass der geforderte Mietzins in Höhe von achthundert Euro für ein Haus dieser Größe und in dieser gehobenen Wohnlage
     viel zu niedrig angesetzt war. Außerdem hatte sein Vater, soweit Ulrich W. wusste, gar nicht die Absicht, das Haus zu vermieten.
    Mit dem Kollegen des Kriminaldauerdienstes, der die Mordkommission am 8.   Januar über den Fall telefonisch informierte, wurde vereinbart, den Vorgang zunächst durch unsere Vermisstenstelle bearbeiten
     zu lassen. Aus dem bisher bekannten Sachverhalt ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein Tötungsdelikt. Eine
     Absuche des Anwesens war bereits im Gange, zusätzlich sollten Beamte des Erkennungsdienstes hinzugezogen werden, um alles
     fotografisch zu dokumentieren.
    |162| Weitere Telefonate mit dem Kriminaldauerdienst bestätigten, dass es sich bei den Blutspuren nur um geringe Mengen handelte
     und mit Ausnahme eines abgerissenen Telefonkabels nichts Auffälliges festzustellen war. Nach der Spurensicherung würden die
     Beamten des Erkennungsdienstes das Haus vorsorglich versiegeln.
     
    Am Tag darauf, dem 9.   Januar, erhielt ich kurz vor Mittag einen weiteren Anruf in dieser Sache: Unser Direktionsleiter hatte darum gebeten, die
     Kollegen der Vermisstenstelle vor Ort zu unterstützen. Da nach wie vor keinerlei Motiv erkennbar war, warum der Konditormeister
     »untertauchen« hätte sollen, wurde die Wahrscheinlichkeit, dass dem Verschwinden ein Unglücksfall oder ein Verbrechen zugrunde
     lag, von Tag zu Tag größer.
    Mit den beiden Bereitschaftsbeamten meiner Dienststelle und einem Beamten des Erkennungsdienstes fuhr ich zum Haus des Vermissten.
     Den bisherigen Ermittlungsunterlagen konnte ich entnehmen, dass alle Standardrecherchen bereits erfolglos durchgeführt worden
     waren. Die Kollegen hatten das Haus durchsucht, mit der Rettungsleitstelle und mit der Bettenzentrale gesprochen, sie hatten
     Fahndungsdurchsagen veranlasst und die Haftliste ebenso überprüft wie alle in Frage kommenden Krankenhäuser.
    Zunächst verschafften wir uns einen genauen Überblick im Anwesen. Dann befragte ein Kollege den Sohn des Vermissten.
    Der zweite Sohn des Vermissten, Stefan W., berichtete, dass er letztmals am 3.   Januar gegen 22   Uhr mit seinem Vater telefoniert und über seine Berufsaussichten gesprochen hatte. Das Gespräch verlief ohne Auffälligkeiten.
     Er könne ausschließen, dass sein Vater Suizid begangen habe. Der sei weder depressiv noch leide er an irgendwelchen Krankheiten.
     Wir erfuhren, dass der Vermisste sehr harmoniebedürftig und vertrauensselig war; wenn er zu Hause war, sperrte er seine Tür
     grundsätzlich nicht ab und schloss nie die Vorhänge oder die Jalousien vor seinen Fenstern, sodass jedermann von der Straße
     aus ungehindert Einblick in die Wohnräume nehmen |163| konnte. Absolut nichts deutete auf einen Suizid oder auf ein freiwilliges Verlassen seines Lebensumfeldes hin. Wäre er – aus
     welchen Gründen auch immer – spontan für längere Zeit weggefahren, hätte er mit Sicherheit seinen Söhnen oder seiner von ihm
     getrennt lebenden Frau Bescheid gesagt. Stefan W. erzählte, dass sich sein Vater mit dem Gedanken getragen hatte, die Herstellung
     von Pralinen zukünftig auch gewerblich zu betreiben. Über die Weihnachtsfeiertage hatte er Pralinen für vermutlich mehrere
     tausend

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