Mordkommission
an diesem flüchtigen Bekannten aber war, dass er eine mehr als zehnjährige Freiheitsstrafe wegen einer
Vielzahl bewaffneter und gewalttätiger Raubüberfälle verbüßt hatte. Sollte das die Spur sein, nach der wir seit Monaten verbissen
gesucht hatten? Mein Kollege und ich beschlossen, nach Hof zu fahren und die Empfängerin der |174| Überweisung persönlich nach den Umständen des Verkaufs zu befragen. Dabei würde sich zeigen, ob sie mit dem vorbestraften
Räuber in Verbindung stand und ob dieser eine Rolle in dem Fall spielen könnte.
Wir hatten mit den Kollegen der Kripo in Hof vereinbart, dass sie diese Zeugin vorladen sollten, um nicht schon im Vorfeld
als Münchner Kriminaler in Erscheinung treten zu müssen. Nachdem die Frau zum vereinbarten Termin erschienen war, übernahmen
wir die Vorstellung und die Vernehmung. Wir erfuhren, dass die Frau im vergangenen Jahr auf einem Flohmarkt einem ihr unbekannten
Mann alte Backformen billig verkauft hatte. Der Käufer hatte sich ihre Kontoverbindung notiert, um ihr gegebenenfalls nach
Prüfung des Wertes der Backformen eine Nachzahlung zu leisten. Sie habe die Sache damit als erledigt betrachtet. Umso erstaunter
sei sie gewesen, als sie Anfang dieses Jahres plötzlich eine Überweisung von etwas mehr als eintausend Euro für den Verkauf
ihrer »antiken Backformen« erhielt. Als Auftraggeber war der Name eben jenes Sammlers vermerkt, dem sie diese Formen seinerzeit
überlassen hatte.
Wir blickten uns verblüfft an, als die Frau auf unsere Frage, was sie denn Anfang des Jahres in München gemacht habe, unbefangen
angab, dass sie mit Sicherheit nicht in München gewesen sei. Wie sie sich dann erklären könne, dass ihr Handy dort registriert
worden war? Dazu könne sie nichts sagen, zu dieser Zeit habe ihr Lebensgefährte ihr Handy besessen, da er seines kurz zuvor
verloren hatte. Dieser sei ihres Wissens zur fraglichen Zeit geschäftlich in Holland gewesen und habe ihr Handy dabeigehabt.
Möglich, dass er einen Abstecher nach München gemacht habe; erwähnt habe er ihr gegenüber jedoch nichts davon. Die Antwort
auf die Frage, wer denn ihr Lebensgefährte sei, überraschte uns nicht mehr wirklich: der vorbestrafte Gewalttäter, der einmal
bei unserem Opfer übernachtet hatte!
Wir baten die Zeugin, ihren Lebensgefährten anzurufen und ihn zu bitten, gleich zur Dienststelle in Hof zu kommen, |175| da wir ihn vernehmen wollten. Da ich bereits ahnte, dass der polizeierfahrene Mann unserer Ladung freiwillig wohl keine Folge
leisten würde, hatte ich die Staatsanwaltschaft über die erstaunliche Wende in diesem Fall informiert und darum gebeten, für
den Mann eine staatsanwaltschaftliche Zeugenladung zur sofortigen Vernehmung zu erlassen. Tatsächlich weigerte sich der Mann
am Telefon zunächst, zur Vernehmung zu erscheinen; er sei gerade auf dem Weg nach Frankfurt und kehre frühestens in ein paar
Tagen nach Hof zurück. Als ich ihn jedoch ausdrücklich auf die staatsanwaltschaftliche Ladung hinwies und auch darauf, dass
er der Ladung sofort Folge leisten müsse, war er, wenn auch spürbar widerwillig und auch erst, nachdem er zuvor mit einem
Rechtsanwalt Rücksprache gehalten hatte, bereit zu kommen.
Nach dem Gespräch verstrich eine schier endlos lange Zeit – ich zog bereits in Erwägung, eine Fahndung einzuleiten –, bis endlich ein Kollege von der Wache anrief und mitteilte, dass unser Zeuge soeben eingetroffen war. Ich holte ihn ab
und sah sofort, dass dem Mann der Schweiß in Strömen über das Gesicht lief. Es war selbst für einen Laien ersichtlich, dass
er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte. Allerdings konnte das natürlich auch daran liegen, dass er aufgrund seiner Vergangenheit
unangenehme Erinnerungen mit seiner Anwesenheit auf Polizeidienststellen verband. Obwohl meine Kollegen und ich deutlich spürten,
dass er uns nicht die Wahrheit sagte, gelang es uns zunächst nicht, einen konkreten Anfangsverdacht dafür zu finden, dass
der Mann vor uns für das Verschwinden des Konditors verantwortlich war. Als mein Kollege den Zeugen fragte, ob er freiwillig
dazu bereit sei, zu seiner Entlastung einige Schriftproben abzulegen, um diese mit der Schrift auf dem Auftragszettel für
das Inserat zu vergleichen, hatte ich für einen Augenblick das Gefühl, als ob uns der Mann etwas sagen wollte. Doch dann zuckte
er nur mit den Schultern und begann nach dem Diktat meines Kollegen zu schreiben. Diese
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