Mordkommission
Euro hergestellt und verkauft. Bei seiner Suche hatte Stefan W. im Briefkasten die Zeitung vom 4. Januar gefunden, die Ausgabe vom 3. Januar lag auf dem Küchentisch.
Nachdem er seinen Vater nicht mehr erreicht hatte und dieser sich auch nicht zum runden Geburtstag bei seiner Schwiegermutter
meldete, fuhr der in Norddeutschland lebende Stefan W. am 6. Januar nach München, um nach dem Rechten zu sehen. Anders als sonst waren die Jalousien heruntergelassen. Einer Nachbarin
war aufgefallen, dass bereits am Dienstag, dem 4. Januar, die Vorhänge vorgezogen waren, am Tag darauf bemerkte sie, dass die Jalousien zur Hälfte und schließlich einen Tag
später ganz geschlossen waren. Alles ganz unüblich für den Vermissten.
Bei seiner Suche stellte Stefan W. fest, dass im Keller ein Kocher eingeschaltet war, ein großer Klumpen Schokolade war etwa
zur Hälfte geschmolzen. Daraus folgerte er, dass sich sein Vater vor seinem geheimnisvollen Verschwinden wohl mit der Herstellung
weiterer Pralinen beschäftigt hatte. Der Konditormeister und pensionierte Berufsschulfachlehrer war in Feinschmeckerkreisen
berühmt wegen seiner Pralinen, die er zu Tausenden in seinem extra dafür eingerichteten Keller herstellte. Namhafte Münchner
Patisserien und Konditoreien rissen sich um seine Spezialitäten. Er war zudem als Kapazität im Fach Konditorwesen weit über
die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Seine besondere Begabung bestand auch darin, Backwerk und andere Speisen professionell
zu fotografieren. So hatte er für Schulbücher und Fachzeitschriften etliche Tausend Dias gemacht, die er in Sammelordnern
verwaltete. Und schließlich hatte |164| er im Laufe seines Berufslebens eine außerordentlich umfangreiche Sammlung von Backformen und Back- und Küchengerätschaften
aller Art zusammengetragen, die zum Teil in großen Vitrinen im Haus und vornehmlich in seiner Backstube im Keller ausgestellt
waren.
Stefan W. war aufgefallen, dass zwei ältere, praktisch wertlose Röhrenradiogeräte verschwunden waren. Und auch Geld schien
zu fehlen, da eine Schatulle im Arbeitszimmer seines Vaters leer war, in der sich nach Einschätzung des Sohnes mindestens
zweitausend Euro hätten befinden müssen, der Erlös der über Weihnachten verkauften Pralinen. Weg waren auch zwei Sparbücher.
Schließlich hatte sein jüngerer Bruder Ulrich noch festgestellt, dass der Bettkasten im Arbeitszimmer seines Vaters etwas
verrutscht und der Radiowecker ausgesteckt sowie das Telefonkabel abgerissen waren.
Ein Haustürschlüssel mit einem Anhänger in Form eines Feuerwehrmannes fehlte. Entgegen den sonstigen Gewohnheiten seines Vaters
war eine Tür im ersten Stock versperrt, den zugehörigen Schlüssel fand sein Bruder Ulrich in einem Flurschränkchen. Besonders
merkwürdig aber schien Stefan W., dass der wertvolle Motorroller seines jüngeren Bruders aus der Garage geschoben, mit einer
Regenplane abgedeckt und aufgebockt im Garten abgestellt worden war. Normalerweise stand der Roller neben dem Pkw des Vermissten,
sodass er den schmalen Durchgang zwischen dem Garagentor und der Gartentür versperrte.
Einer der vier Sommerreifen, die immer an der Wand hingen, lag auf der Motorhaube des abgesperrten Pkw, die Flügelmutter und
die Unterlegscheibe von der Wandhalterung waren auf einer Aluleiter abgelegt, so als ob der Reifen zu einem späteren Zeitpunkt
wieder an die Wand gehängt werden sollte. Mittlerweile war auch der jüngere Sohn, den wir telefonisch darum gebeten hatten,
im Haus eingetroffen. Obwohl nach übereinstimmender Auskunft der Söhne sämtliche Schuhe ihres Vaters im Haus vorhanden waren,
fehlte offenbar sein roter Anorak und möglicherweise auch ein kleiner Wanderrucksack. Hatte der Vermisste – der gern auch
im Winter |165| in den Bergen wanderte – einen verspäteten Neujahrsausflug in die Alpen gemacht und war er dabei am Ende verunglückt? Aber
wieso sollte er dann das Haus ohne Schuhe verlassen haben? Völlig untypisch für den Vermissten war auch, dass er sein Versprechen
nicht gehalten hatte, die Katze der Nachbarn während ihres Urlaubs regelmäßig zu füttern. Bei deren Rückkehr war sie halb
verhungert.
Als wir uns die Bettdecke ansahen, an der sich den bisherigen Informationen zufolge nur eine »geringe« Antragung mutmaßlichen
Blutes befand, stutzten wir. Nachdem wir eine Ecke des Oberbettes zurückgeschlagen hatten, entdeckten wird, dass die Decke
an dieser
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