Mordkommission
Beschuldigten erfüllt waren. Bis alle Formalitäten erledigt waren, war es wieder
kurz vor Mittag. Wir hatten vor, die weiteren Maßnahmen am Montagmorgen zu veranlassen; schließlich hatten wir ja noch immer
Bereitschaft, die erst um Viertel nach sieben am nächsten Morgen enden würde. Man konnte ja nie wissen …
Diesmal dauerte es nicht einmal eine halbe Stunde, bis ich gegessen und geduscht hatte und in meinem Bett lag. Meine Frau
behauptete später, ich hätte schon geschlafen, noch ehe ich im Schlafzimmer überhaupt ankam. Dass Frauen auch immer so übertreiben
müssen!
Gegen 19 Uhr wachte ich auf. Draußen war es schon dunkel. Irgendwie stand ich leicht neben mir. Die letzten Tage hatten meinen Biorhythmus
etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Und mit über fünfzig Jahren steckt man nächtliche Eskapaden nicht mehr so einfach weg,
stellte ich zu meiner Beunruhigung fest. Andererseits fand ich Wohlgefallen an dem Gedanken, so bald nach dem Aufstehen wieder
schlafen gehen zu können, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Morgen dann würde die Welt wieder ganz anders aussehen.
Nach dem Essen – ich weiß, das ist ungesund – ließ ich mir ein Bad ein und gönnte mir eine Extraportion Entspannungsschaumbad.
Als ich gerade in die |192| Wanne steigen wollte, fiel mir ein, dass mein Bereitschaftshandy noch verwaist auf meinem Nachttisch im Schlafzimmer lag.
Den kurzen Kampf mit meinem inneren Schweinehund verlor ich pflichtgemäß und machte mich ergo auf den Weg zu meinem Handy.
Ich hatte es fast schon in der Hand – da fing es an zu vibrieren, zu leuchten und zu klingeln. Sekunden später wusste ich,
dass ich auch diese dritte Nacht in Folge nicht zu Hause verbringen würde. Bei dem Gedanken an die gefüllte Badewanne beschlich
mich einmal mehr das Gefühl, dass ich bei meiner Bewerbung zur Mordkommission offensichtlich irgendeinen wesentlichen Aspekt
nicht genügend berücksichtigt hatte – was nur könnte das gewesen sein? Egal, nun war es ohnehin zu spät.
Routinemäßig notierte ich mir die Uhrzeit, den Namen und die Schicht des Kollegen vom Kriminaldauerdienst. Es war 21.15 Uhr. Vor einer Pension in der Nähe des Oktoberfestgeländes war es wegen einer zugeparkten Hofeinfahrt zu einem Streit zwischen
vier Männern gekommen. Einer der Männer versetzte seinem Kontrahenten einen wuchtigen Schlag, dieser stürzte rückwärts zu
Boden und fiel so unglücklich auf den Hinterkopf, dass er eine schwere Schädelverletzung erlitt. In einer Klinik kämpften
die Ärzte um sein Leben; allerdings stand zu befürchten, dass er die nächsten Stunden nicht überleben würde. Der Täter war
mit einem dunklen VW Golf mit Münchner Kennzeichen geflüchtet, sein Begleiter zu Fuß davongelaufen. Ich bat den Kollegen,
die Kapitalbereitschaft des Erkennungsdienstes zu alarmieren.
Obwohl nach den Ausrückkriterien der Mordkommission – Körperverletzungsdelikte ohne ersichtlichen Tötungsvorsatz werden ja von einem anderen Kommissariat bearbeitet – noch keine
Zuständigkeit meiner Dienststelle vorlag, entschloss ich mich aufgrund der ungünstigen Prognose der behandelnden Ärzte, den
Vorgang zu übernehmen. Ich informierte meine beiden Kollegen und bat sie zum Tatort zu kommen, da sich abzeichnete, dass wir
aufwändige Fahndungsmaßnahmen einleiten mussten. Eine Befragung des Verletzten war derzeit ohnehin nicht möglich, die Sicherstellung
seiner Kleidung veranlasste ich über den Erkennungsdienst. Gleich darauf |193| klingelte erneut mein Handy. Der Verletzte war soeben verstorben. Jetzt lag eine Körperverletzung mit Todesfolge vor und damit
auch die Zuständigkeit des Kapitalreferats der Staatsanwaltschaft, deren Bereitschaftsbeamten ich nun ebenfalls informierte.
Am Tatort hatte sich eine Gruppe von Arbeitskollegen des Opfers versammelt, die in einer Kneipe gegenüber gefeiert hatten.
Der Getötete und sein Kumpel hatten sich als Erste aus der Runde verabschiedet und waren schräg über die Straße zu ihrer Pension
gegangen. Dort stand zu diesem Zeitpunkt ein Pkw in der Zufahrt, worüber es zwischen dem Opfer und den zwei Fahrzeuginsassen
zu einem Streitgespräch gekommen war. Während der Begleiter des Opfers den Flur der Pension betrat, vernahm er hinter sich
in der Durchfahrt einen dumpfen Schlag. Als er zurückging, um nach der Ursache des Geräusches zu sehen, fand er seinen Kumpel
reglos am Boden liegend. Gleichzeitig stieß
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