Mordkommission
erschrecken, erklärte ich der Anruferin, dass ihre Beobachtung
für uns von außerordentlichem Interesse sei, und bat sie, sich nach Möglichkeit jetzt sofort für eine Zeugenvernehmung zur
Verfügung zu stellen. Ihre Befürchtung, als Ortsunkundige nicht zu uns zu finden, zerstreute ich, indem ich ihr anbot, sie
von einem Streifenwagen abholen zu lassen. Damit war die Frau einverstanden und so betrat sie knapp eine halbe Stunde später
das Büro unseres Sachbearbeiters. Nun kam Bewegung in die Sache.
Das Fahrzeug, dessen Kennzeichen die Zeugin am Tatort notiert hatte, war tatsächlich ein heller Opel und auf ein Möbelhaus
zugelassen. Wir suchten trotz der fortgeschrittenen Stunde das Geschäft in der Innenstadt auf. Die Türen waren schon geschlossen,
doch der Inhaber war noch |196| mit Abrechnungen beschäftigt und ließ uns ein. Nachdem die Beschreibung der Zeugin auf ihn offenkundig nicht zutraf, erläuterten
wir ihm unser Anliegen. Dabei erfuhren wir, dass einer seiner Mitarbeiter, der im Westen Münchens wohnte, das Fahrzeug nutzte.
Allerdings entsprach auch dieser nicht der Beschreibung. Bevor wir den Geschäftsinhaber verließen, baten wir darum, nichts
von unserem bevorstehenden Besuch zu sagen, da wir nicht wussten, in welcher Beziehung dieser Mitarbeiter zu unserer gesuchten
Person stand.
Zur Sicherheit baten wir eine Zivilstreife der zuständigen Polizeiinspektion, das Anwesen des Mitarbeiters bis zu unserem
Eintreffen verdeckt zu beobachten. Nicht lange danach bremsten wir vor dem Haus. Aus der Dunkelheit der menschenleeren kleinen
Straße schälten sich zwei Gestalten, die Beamten der zivilen Einsatzgruppe. Sie berichteten, dass sie die fragliche Wohnung
lokalisiert hatten. Die Wohnung war von außen einsehbar, da innen Licht brannte und weder Vorhänge noch Jalousien geschlossen
waren. In der Wohnung befanden sich zwei Personen, ein Mann, auf den die Beschreibung des Gesuchten nicht zutraf, sowie eine
Frau. Der gesuchte Opel war weder auf der Straße noch in der Tiefgarage abgestellt. Auch in den umliegenden Straßen war das
Fahrzeug nirgends zu entdecken gewesen. Respekt. Die Kollegen hatten die kurze Zeitspanne gut genutzt.
Wir klingelten. Freundlich erstaunt bat uns der Wohnungsinhaber herein, nachdem er einen langen und prüfenden Blick auf unsere
Dienstausweise geworfen und den Grund unseres Kommens im Telegrammstil erfahren hatte. Ein neuer russischstämmiger Mitarbeiter
seiner Firma, der mit seiner jungen Familie im Osten Münchens wohnte, nutzte seinen Angaben zufolge das Fahrzeug für seine
Kundendiensttätigkeit. Einen Bezug zum Tatort konnte er nicht erkennen, außer dass dieser nicht sehr weit vom Firmensitz entfernt
lag. Warum sich die Kriminalpolizei zur Nachtzeit für den Benutzer des Firmenfahrzeuges interessierte, wollte er im Detail
gar nicht wissen. Er versicherte uns, dass er |197| auch ohne unsere eindringliche Belehrung seinen Kollegen nicht über unsere Erkundigungen informiert hätte.
Das Spielchen wiederholte sich: Anruf bei der zuständigen Inspektion, Bitte um Entsendung einer Zivilstreife zur vorsorglichen
Observation des Anwesens, eilige Fahrt dorthin. Diesmal wurden wir von zwei Besatzungen erwartet, da sich die bevorstehende
Festnahme abzeichnete. Das gesuchte Fahrzeug stand tatsächlich in der Nähe des Anwesens am Fahrbahnrand. Was schon mal dafür
sprach, dass der Tatverdächtige zu Hause war. Auch hier bot die Erdgeschosswohnung ungehinderten Einblick in das hell erleuchtete
Wohnzimmer. Auf die anwesende Person traf die Beschreibung der Zeugin genau zu. Der Rest war Routine. Nach seiner Festnahme
brachten wir den Mann auf unsere Dienststelle. Das Fahrzeug ließen wir zur Spurensicherung abschleppen. Die weiteren Ermittlungen
führten bald auch zu dem Beifahrer, der tatsächlich in der Pension gewohnt, diese aber am Morgen nach dem Vorfall zeitig verlassen
hatte. Da auch er russischstämmiger Herkunft war und mit der Personenbeschreibung des Arbeitskollegen des Getöteten überhaupt
nicht übereinstimmte, war er bei unseren Nachforschungen zunächst »durchs Raster gefallen«.
Warum uns der Arbeitskollege mit seinen Aussagen über den Täter, dessen Begleiter und das Fahrzeug so sehr in die Irre geführt
hatte, ließ sich leider nicht abschließend klären. Fakt jedoch ist, dass wir nie eine Chance gehabt hätten, die Täter zu ermitteln,
solange sich unsere Fahndung auf einen dunklen VW Golf und zwei
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