Mordkommission
Voraussetzungen erfüllt, so bedarf es nur noch einiger kleinerer Ergänzungen, um einen Bewerber als zukünftigen
Mordermittler interessant erscheinen zu lassen: So sollte man in der Nähe der Dienststelle wohnen, um im Ernstfall schnellstmöglich
einsatzbereit zu sein. Man muss körperlich genügend fit sein, um die Belastungen des Bereitschaftsdienstes unbeschadet zu
überstehen. Die Familie des Beamten muss gewillt sein, die unregelmäßigen Dienstzeiten und die Einschränkungen |234| in der Freizeit, besonders auch bei außergewöhnlichen Fällen (zum Beispiel Soko-Arbeit, laufende Fahndungsmaßnahmen und Ähnliches)
mitzutragen. Eine Selbstverständlichkeit ist der völlige Verzicht auf Alkohol während der Dienst- und Bereitschaftszeiten.
Ständige Erreichbarkeit auch außerhalb der eigentlichen Dienst- und Bereitschaftszeiten wird ebenfalls erwartet, da jederzeit
eine Lage eintreten kann, für deren Bewältigung alle Beamten der Mordkommission erforderlich sind. Wie sehr die Einsatzbereitschaft
gefordert wird, mag man daran ersehen, dass die Beamten meiner Dienststelle, dem Mordkommissariat beim Polizeipräsidium München,
zum Zeitpunkt dieser Niederschrift einen Berg von mehr als 12 000 Überstunden aufgebaut hatten. Der künftige Mordermittler sollte nun noch langjährige Berufserfahrungen in anderen kriminalpolizeilichen
Bereichen gesammelt haben und er darf – was naheliegend ist – keine Scheu vor Leichen haben. Und last but not least muss der
Sachbearbeiter in der Mordkommission in besonderer Weise für Teamarbeit geeignet, also »teamfähig«, sein, da die Arbeit in
einer Mordkommission nun einmal darin besteht.
So viel zum Idealbild. Wer nach diesen Ausführungen nun allerdings erwartet, in einer Mordkommission wimmele es geradezu von
Übermenschen, der wird von der Realität enttäuscht werden. Auch bei einer Mordkommission arbeiten mehrheitlich – wenigstens
derzeit noch – normale Kriminaler, Beamte, die irgendwann mal im Streifendienst tätig waren, Verkehr geregelt, Ruhestörungen
eingestellt und Verkehrsunfälle aufgenommen haben. Die Mehrzahl der Beamtinnen und Beamten der Mordkommissionen ist verheiratet,
hat Kinder, führt ein ganz normales Familienleben und steht – im Gegensatz zu ihren »Kollegen« im Fernsehen – weder mit ihren
Vorgesetzten noch mit den Vertretern der Staatsanwaltschaft auf Kriegsfuß. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt nicht in der Bewältigung
eigener Beziehungsprobleme oder in der Auseinandersetzung mit den Problemen des Nachwuchses, sondern |235| eindeutig – oh Wunder – in der Aufklärung von Straftaten. Auch in der Mordkommission wird, wie es so schön heißt, nur mit
Wasser gekocht. Unsere Stärke liegt darin, dass wir – auch hier möchte ich sagen: noch! – mit hohem Personaleinsatz und praktisch
ohne technische und ohne nennenswerte finanzielle Einschränkungen alle erforderlichen Maßnahmen durchführen können, um Tötungsdelikte
aufzuklären.
Der Wechsel zur Mordkommission ist weitaus weniger spektakulär, als man dies vermuten könnte. Frei werdende Sachbearbeiterstellen
bei einer Mordkommission – etwa durch Pensionierung oder Versetzung zu einer anderen Dienststelle – werden nachbesetzt, indem
die Stelle mit dem entsprechenden Anforderungsprofil im amtlichen Mitteilungsblatt der Polizei ausgeschrieben wird. Die geeignet
erscheinenden Bewerber werden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, an dem im Idealfall auch die Leiter der einzelnen
Mordkommissionen teilnehmen. Natürlich erfüllt keiner der Bewerber sämtliche genannten Bedingungen auch nur annähernd. Wer
jedoch den vorstehend aufgelisteten Voraussetzungen am nächsten kommt, hat gute Chancen auf die Stelle. Die ausgewählten Bewerber
werden nach Ablauf der Bewerbungsfrist schriftlich über ihre Versetzung zum Mordkommissariat informiert – das war’s! Der Bewerber
wird anschließend in der Regel ein Jahr beim Kommissariat für Todesermittlungen auf seine künftige Tätigkeit als Sachbearbeiter
bei einer Mordkommission vorbereitet. Im Kommissariat für Todesermittlungen werden ungeklärte Todesfälle und tödliche Unfälle
– mit Ausnahme von Verkehrsunfällen – untersucht. Erst wenn sich dabei herausstellt, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt,
wird die Mordbereitschaft alarmiert, die die weiteren Ermittlungen übernimmt. Hat der zukünftige Mordermittler beim Kommissariat
für Todesermittlungen
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