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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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das?«
    »Das System ist noch im Erprobungsstadium, soweit ich informiert bin. Unser Architekt, Erich Colbert, hatte vorgeschlagen, dieses Verfahren am Schwerbelastungskörper einzusetzen, um die Bausubstanz möglichst wenig zu schädigen. Da mir das plausibel erschien und das Verfahren durch die Testphase günstiger war, habe ich dem natürlich damals zugestimmt.«
    »Das hört sich für mich jetzt aber nicht mehr sehr überzeugend an. Im Nachhinein, meine ich jetzt.« Engbers erwartete wieder ein Lächeln von seinem Gegenüber, aber das blieb aus.
    »Ich kann Ihnen nicht viel mehr dazu sagen. Sie müssen sich an Colbert wenden, wenn Sie noch weitere Fragen zu der Technik haben.«
    »Es geht uns nicht um die Technik«, mischte sich Davídsson wieder in das Gespräch ein.
    »Das Fraunhofer Institut hat den Testbetrieb mitten im Verfahren abgebrochen. Deshalb steht jetzt schon seit Monaten ein kleiner Rest des Gerüstes am Schwerbelastungskörper und verschlingt die Gelder, die ich eigentlich damit einsparen wollte. Sie wissen ja, was das bedeutet. Berlin ist pleite und ich bekomme unangenehme Nachfragen von oben.«
    Engbers wusste, was er meinte.
    »Warum wurde der Testbetrieb abgebrochen?«
    »Es gab Ärger zwischen Colbert und den Leuten vom Fraunhofer Institut. Was genau da ablief, kann ich Ihnen leider auch nicht sagen, denn ich weiß es selbst nicht. Eines Tages sind sie einfach abgereist und wir konnten mit den Untersuchungen nicht weitermachen.«
    »Haben sie vielleicht Beweise dafür gefunden, dass der Fall Elodie Moïra doch keine erfundene Geschichte ist?«
    »Was? Nein, natürlich nicht. Das wüsste ich mit Sicherheit.« Er sah erst Engbers und dann Davídsson an. »Dieser Fund käme nicht nur meinem Referat sehr gelegen, sondern auch dem Berliner Denkmalverein. So etwas würde man aber vermutlich sowieso nicht geheim halten können. Und wieso auch?«
     
    Ólafur Davídsson saß mit Engbers in einer vollen Eisdiele. Um sie herum waren scheinbar Hunderte kleine Kinder und zwei überforderte Erzieherinnen.
    Sie hatten ihr Eis schon bekommen. Zum Glück, hatte Engbers gedacht, als die Kinderschar eingefallen war.
    »Hattest du das Gefühl, dass er uns alles sagt?« Engbers nahm ein Stück vom Joghurteis, das bereits auf dem Weg zu seinem Mund anfing zu schmelzen.
    »Ich hatte ihn anders in Erinnerung.«
    »Hm.«
    »Was könnte ihn so unsicher gemacht haben?«, fragte Davídsson mehr sich als Engbers.
    Er wich einem Kind aus, das ohne zu sehen, wo es hinlief, direkt gegen ihren Tisch gerannt war und sofort anfing zu heulen. Eine der Erzieherinnen eilte herbei und entschuldigte sich mehrfach.
    »Wir waren gerade im Schwimmbad und jetzt gibt es eine kleine Belohnung für die, die vom Turm gesprungen sind«, erklärte sie.
    Sie war noch ziemlich jung. Engbers musterte ihre Figur, bis sie wieder in der Menge verschwunden war und nur noch ihr Oberkörper über den Kinderkörpern herausragte. Sie sah beinahe aus wie eine Treibboje, die sich in den Wogen der Weltmeere hin- und herbewegte.
    »Ich weiß es nicht«, nahm Engbers das Gespräch wieder auf, nachdem sein Blick wieder auf Davídsson gerichtet war. »Vielleicht ist es wirklich der Druck von seinen Vorgesetzten. Ich glaube nicht, dass er sonst etwas mit dem Fall zu tun hat.«
    »Wir haben zumindest keinen Anhaltspunkt dafür.«
    »Ich möchte mir trotzdem das Verfahren von Colbert erklären lassen. Vielleicht ist es ja für diesen Fall ganz egal, aber man wird schließlich auch nicht dümmer davon.«
     
    Die Abkühlung von Eis und Regen war längst verflogen, als sie vor der großen Glasfront standen, die jetzt in Colberts Büro für unerträgliche Hitze sorgen musste.
    Davídsson dachte an die Schulklasse, die bei seinem letzten Besuch an den Fenstern vorbeigezogen war. Vielleicht waren es dieselben Kinder wie in der Eisdiele. Er konnte die kleinen, noch unreifen Menschen nicht voneinander unterscheiden. Sie sahen für ihn alle gleich aus.
    Er dachte auch an seine Schwester.
    Die Sekretärin saß dieses Mal auf ihrem Platz. Die kleine Heizung unter ihrem Schreibtisch war zu dieser Jahreszeit nicht nötig. Es gab keinen Grund, krank zu Hause zu bleiben.
    Davídsson klopfte und sie kam zur Tür. Noch ehe sie etwas sagen konnte, winkte Colbert die beiden Männer in das Büro.
    »Sie hatten einen ausländischen Namen. Irgendetwas Isländisches, oder?«, versuchte Colbert sich zu erinnern. Er war aufgestanden und hatte beide mit einem Händedruck in Empfang

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