Mordlast
uns die Presse heute gnädig gesonnen«, sagte Engbers von der Couch aus.
Davídsson hatte ihn in seine Wohnung gebeten. Er wollte sich nicht abhetzen müssen beim Wegräumen seiner Sachen.
»Nur weil es irgendeinen Skandal im Roten Rathaus gegeben hat und sie sich für einen Augenblick mehr dafür interessieren, heißt das noch lange nicht, dass sie uns wohl gesonnen sind.«
»Auf einer der hinteren Seiten sind wir ja trotzdem gelandet.« Engbers nahm einen Schluck von dem Espresso, den Davídsson ihm hingestellt hatte.
Davídsson hatte den Artikel beim Frühstück im Hotel gelesen. Die Tendenz der Medien war klar: Erst wurde eine arme, unschuldige Frau beim Verhör zu sehr unter Druck gesetzt und dann hat sie sich umgebracht, weil sie ihm nicht mehr standhalten konnte.
Er dachte an Wittkampf, der seinen ersten freien Tag zu Hause verbrachte. Er hatte sich formal krankgemeldet, aber Davídsson wusste Bescheid, was der wahre Grund dafür war, dass er zu Hause blieb. Die Rückendeckung vor der Presse war mit ihm beurlaubt worden. Davídsson fühlte sich ihr ausgeliefert, ohne dass er bisher einen Anruf hatte beantworten müssen. Er wusste, dass Anfragen kommen würden.
»Glaubst du, dass Iris Schrauder wirklich mit ihrem Mann über den Mord an Bernd Propstmeyer gesprochen hat?« Engbers wechselte das Thema. Davídsson hatte ihm von seinem Besuch bei Michael Schneider während der Fahrt erzählt.
»Schwer zu sagen. Man weiß nicht, wie so ein Patient tickt. Ich habe mit einem der Ärzte gesprochen, aber der konnte mir auch keine Antwort darauf geben. Viele Erinnerungen geraten bei einem Schlaganfall durcheinander. Was gestern passiert ist, kann in der Erinnerung des Patienten viel länger zurückliegen und umgekehrt.«
»Vielleicht wusste sie ja doch etwas mehr, als sie immer behauptet hatte.«
»Du meinst, sie wusste, wer der Mörder ihres Angebeteten war?«
»Jetzt, wo du das so sagst, ergibt es keinen Sinn mehr.« Er grinste.
»Wenn sie tatsächlich mit ihrem Mann über den Mord gesprochen hätte, würde das jedenfalls einmal mehr ihre enge Verbindung zu Bernd Propstmeyer zeigen.«
»Oder sie wollte einfach nur mit jemandem sprechen, der ihr zuhört, ohne dass sie gleich befürchten musste, dass derjenige es jemand anderem erzählt.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Warum sollte sie mit jemandem darüber sprechen, der dem Gespräch vielleicht überhaupt nicht folgen kann? Da hätte sie schließlich auch mit der Wand zu Hause sprechen können.«
»Was weiß ich. Du bist schließlich Kriminalanalytiker und nicht ich. Irgendwie muss dieser Schneider ja darauf gekommen sein, dass Bernd Propstmeyer tot ist. Bernds gibt es ja wahrscheinlich nicht gerade viele in seinem Umfeld.«
»Natürlich nicht, aber warum sollte ausgerechnet Iris Schrauder mit ihm darüber sprechen. Sie hat ihn doch seit dem Schlaganfall nur noch als Geldquelle genutzt und ihn kaum besucht. Außerdem erzählt man normalerweise doch nicht seinem Mann, der krank in einem Rollstuhl sitzt, davon, mit wem man fremdgeht.«
»Normalerweise war sie ja auch etwas ... seltsam.« Engbers machte eine ähnliche Bewegung wie Franz Schrauder.
»Ja, aber ...«
Engbers Handy klingelte in der Hosentasche. Er stellte die Tasse auf den quadratischen Untersetzer und nahm das Gespräch an. Es war Andreas Rach.
»Sie haben was gefunden«, sagte Engbers, nachdem er das Gespräch beendet hatte. »Er hat Kontoauszüge von zwei verschiedenen Banken gefunden. Sie haben sich mit den Banken in Verbindung gesetzt, aber es gibt wohl keine Safes dort, in denen Bernd Propstmeyer die Sachen verwahrt haben könnte.«
»Und?«
»Einer der Bankangestellten hatte die Idee, die Kontoauszüge nach einer Abbuchung für ein gemietetes Bankschließfach durchzusehen, falls Propstmeyer das Schließfach bei einer anderen Bank gemietet hätte, und dabei haben sie etwas gefunden. Es ist eine Privatbank in der Innenstadt.«
»Dann fahren wir dahin als Erstes?«
»Wir treffen uns mit Rach in einer halben Stunde vor dem Tresor. Er wollte jedenfalls gleich losfahren.« Engbers leerte die Tasse in einem Zug und stellte sie in die Spüle, nachdem Davídsson es ihm wortlos vorgemacht hatte.
Er hatte ein ähnliches Gefühl wie in dem Betonklotz, als er dort zum ersten Mal durch das Fenster gekrochen war.
Das Licht im Tresorraum war dezent gedimmt. Die Wucht der dicken Mauern war spürbar, sobald sie die schwere Stahltür passiert hatten. Die Menschen, die sich in dem Raum
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