Mordlicht
Auch in diesem Fall konnten die
Ermittlungen nicht abgeschlossen werden.«
»Also ist Reiches
Mörder mit ziemlicher Sicherheit jetzt ein Doppelmörder«, sagte Christoph.
»Wobei wir nicht wissen, ob er nicht noch mehr Taten begangen hat. Die Täter
sind in allen Fällen nicht nur brutal, sondern auch unbekümmert vorgegangen.
Sonst hätten sie nicht leichtfertig ihre Fingerabdrücke hinterlassen. Sie
scheinen sicher zu sein, dass sie nicht zu identifizieren sind. Handelt es sich
möglicherweise um Nicht-Europäer? Oder Osteuropäer?«
»Diese Vermutung
findet sich auch im Bericht aus Kiel. Interpol hat ähnliche Gedanken geäußert.
Aber auch Rückfragen in den osteuropäischen Ländern waren erfolglos«, schloss
Mommsen seine Erklärungen ab.
»Können wir sicher
sein, dass alle Staaten im Osten präzise Auskunft erteilt haben?«, fragte Große
Jäger.
»Um das beurteilen
zu können, fehlt uns sicher die Erfahrung«, gab Christoph zu bedenken. »Auf die
neuen Mitglieder der Europäischen Union ist sicher Verlass. Aber ob alle
ehemaligen GUS -Staaten eine
perfekt durchorganisierte Polizei haben, ist eher fraglich.«
»Die haben ihr
ganzes Know-how in den Geheimdienst gesteckt.«
Christoph sah Große
Jäger an. »Der Gedanke ist nicht schlecht. Die Täter machen nicht den Eindruck,
als wären sie Amateure. Sie gehen professionell und skrupellos vor. Und wenn es
sich um ehemalige Geheimdienstaktivisten handelt, die sich auf die kriminelle
Schiene begeben haben? Könnte sein, dass die Sache ein wenig zu groß wird für
uns hier in Husum.«
Große Jäger
klatschte in die Hände. »Klasse, endlich mal Action in Nordfriesland.
Kameraden, das wird spannend.« Es gab keinen Zweifel: Der Jagdinstinkt des
Oberkommissars war geweckt.
*
Das weiß gestrichene Haus machte einen hellen und
freundlichen Eindruck und passte sich damit der Umgebung an. In diesem Teil
Lüneburgs wohnte der gut situierte Mittelstand. Das Baugebiet war in den
Achtzigern erschlossen worden, sodass die Gärten hinter den Hecken und der
üppigen Vegetation den Blicken der Passanten entzogen waren.
Achim Delmbüttel gehörte nicht zur Spitzengruppe des
Mittelstandes, die hier beheimatet war. Es bestand kein Anlass zur Klage: Er
hatte eine Familie, die von schlimmen Ereignissen verschont geblieben war, und
zwei Enkel, die sein ganzer Stolz waren. In einem Jahr würde er pensioniert
werden. Dann würde er sich noch mehr seinem Hobby, dem Garten, widmen können.
Bis dahin würde er noch seinem ruhiger gewordenen Dienst nachgehen. Über
dreißig Jahre war er im Polizeidienst, hatte sich vom gelernten Bäcker bis zum
Kriminalhauptmeister emporgearbeitet. Leider hatte er die Altersgrenze
überschritten, als vor einigen Jahren den Beamten des mittleren Dienstes der
Aufstieg in die nächste Dienstgradgruppe angeboten wurde. Sonst wäre er jetzt
Kommissar, vielleicht gar Oberkommissar. Das hätte sich positiv auf seine
Pension ausgewirkt. Sein Ego war deshalb aber nicht angekratzt. So erledigte er
jetzt Sonderaufgaben, wie die Anfrage aus Husum.
Er stieg aus seinem Passat. Die aparte Frau mit dem
gesträhnten blonden Wuschelkopf blickte auf.
»Frau Cornelsen?«
Sie ließ die verblühten Herbstblumen, die sie
geschnitten hatte, in einen Eimer fallen und richtete sich auf. Dann fuhr ihre
linke Hand ins Kreuz.
»Ja?«
»Delmbüttel, Kripo Lüneburg. Darf ich Ihnen ein paar
Fragen stellen? Es geht um Ihren geschiedenen Mann, Frank Reiche.«
Sie bat ihn ins Haus und bot ihm in der geräumigen
Küche Platz an.
»Sie wissen, dass Frank Reiche ermordet wurde?«
Sie nickte. »Das hat mir meine Tochter berichtet. Sie
wurde von der Husumer Polizei benachrichtigt.«
»Sie sind schon länger geschieden?«
»Seit vier Jahren. Ich habe ein Jahr darauf wieder
geheiratet.«
»Das heißt, zwischen 1996 und 1999 haben Sie noch mit
Frank Reiche zusammengelebt?«
»Ja, wenn man es so nennen kann. Frank war kein schlechter
Mensch. Wir waren uns auch nicht wirklich gram, sondern haben uns auseinander
gelebt. Das mag auch an Franks Beruf gelegen haben. Ständig auf Achse.«
»Wissen Sie etwas von seinem Umgang, nachdem Sie sich
getrennt haben?«
»Nein. Nicht viel. Es ist ihm wirtschaftlich zusehends
schlechter gegangen. Aber weder unsere Töchter noch ich hatten groß Kontakt zu
ihm. Da kann ich Ihnen nicht helfen.«
»Wie waren die Verhältnisse Ende der neunziger Jahre?
Gab es da auch schon finanzielle Sorgen?«
»Wenn Sie als Vertreter arbeiten, haben Sie
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