Mordlicht
Sie ja auch Hinweise, wo die Beute geblieben ist, um die sich die Täter
gestritten haben. Verwenden Sie aber nicht Ihre ganze Kraft auf diesen einen
Fall. So schwer kann die Aufklärung ja nicht sein. Und andere Taten warten auch
auf die Bearbeitung.«
Christoph diskutierte mit Mommsen über den vom
Kriminaloberrat geäußerten Verdacht, als Große Jäger ins Büro kam. Er führte
»Blödmann« an der Leine.
»Ich hatte dir doch gesagt, der Hund gehört nicht auf
die Dienststelle«, warf ihm Christoph an den Kopf und rollte ein wenig mit
seinem Schreibtischstuhl zurück, weil der Hund vor ihm stehen blieb und die
Zähne fletschte.
»Er hat mich so traurig angesehen, da konnte ich ihn
nicht allein zurücklassen«, erwiderte Große Jäger und zündete sich ungerührt
eine Zigarette an. »Ist der Kaffee schon fertig?«, fragte er dann Mommsen.
»Die Idee, dass die beiden Banküberfälle etwas mit
unseren Morden zu tun haben, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber warum ist
Reiche pleite, wenn er im Besitz der Beute war?« Mommsen schüttelte den Kopf.
»Vielleicht wollten die beiden anderen ihm seinen
Anteil vorenthalten?«, fragte Große Jäger. »Dann kam es zur Auseinandersetzung,
in deren Verlauf Reiche den Unbekannten erschlug und fortschaffte.«
»Dagegen spricht das Persönlichkeitsbild, das wir von
Reiche haben. Kein Zeuge traut ihm einen Bankraub zu …«
»… aber Mord. Das ich nicht lachen muss«, unterbrach
Große Jäger.
»Das könnte aber auch eine Tat im Affekt gewesen sein.
Vielleicht wurde Reiche zuerst angegriffen und hat sich nur gewehrt.«
»Das würde bedeuten, dass der Unbekannte hinter der
Beute her war und Reiche sie versteckt hat.«
Christoph zog die Stirn kraus. »Das klingt fast
logisch. Aber wenn wir eine gemeinsam begangene Tat unterstellen, so klingt es
doch unwahrscheinlich, wenn die beiden anderen Täter, von deren
Gewaltbereitschaft wir wissen, ausgerechnet dem schwachen Reiche die Beute
anvertrauen. Nein, ich habe meine Zweifel. Wir können nicht rekonstruieren, wo
sich Reiche zum Zeitpunkt der Banküberfälle in Bad Vilbel und Hjørring
aufgehalten hat. Gut, er hat für ein dänisches Unternehmen gearbeitet und
beherrschte vermutlich auch die Sprache. Insofern ist es fast nahe liegend, ihn
mit der Tat im Königreich in Verbindung zu bringen. Und wenn es doch nur ein
zufälliges Zusammentreffen ist?«
»Wir müssen nicht immer einer Meinung sein«, maulte
Große Jäger. »Auch wenn ich den Scheiß-Starke für einen Trottel halte, könnte
er diesmal Recht haben.« Dann wandte er sich Mommsen zu. »Wo bleibt denn nun
der Kaffee!«
»Der steht schon auf der Fensterbank.« Mommsen wurde
durch das Klingeln seines Telefonapparats unterbrochen. Er lauschte in den
Hörer, sagte: »Moment« und rief Christoph zu: »Für dich, Herr Michaelis.«
»Eine interessante Denksportaufgabe für den Freitagnachmittag«,
erklärte der Professor. »Ganz gelöst habe ich sie nicht. Auffällig ist, dass
die Zahlenreihen stets mit einer abnehmenden Ziffernfolge enden, zum Beispiel
die erste und die dritte Reihe jeweils mit 987, die vierte bis sechste Reihe
mit 98 und die letzte Reihe mit 9. Wenn man unterstellt, dass die Zahlen, von
denen ich überzeugt bin, dass sie waagerecht gelesen werden müssen, gar nicht
einheitlich zehn Ziffern lang sind, so könnten die dranhängenden Ziffern nur
Füllstoff sein. Aber bevor ich es dir erkläre, habe ich es dir per Mail
geschickt. Viele Grüße an deine Frau und ein schönes Wochenende.«
Christoph musste ein paar Minuten warten, bis die
Nachricht bei ihm eingegangen war.
6046266987
020653475’
0838618987
1486414898
8512660198
5973912698
6706767509
Jetzt sahen die
Werte anders aus. Für Telefonnummern fehlten die Vorwahlen. Und in Husum gab es
keine Rufnummern in dieser Länge.
Er beschäftigte sich
den Rest des Nachmittags mit dem Zahlenrätsel, von dem er überzeugt war, dass
es ein Schlüssel war. Doch alle seine Bemühungen führten zu keiner Lösung. Die
Dämmerung hatte bereits eingesetzt, als er aufgab.
»Ich fahre jetzt ins
Wochenende.«
»Nach Kiel?«, wollte
Große Jäger wissen.
»Ja.«
»Hmmh!« Man hörte
das Kratzen, als sich der Oberkommissar mit der Hand über die unrasierten
Wangen fuhr. »Die Idee mit dem Feierabend ist wohl gut. Aber der Rest …«
*
Der Austieg ist ein beliebter Fußweg, der das
Stadtzentrum mit dem Bahnhof verbindet. Er ist im Prinzip die Verlängerung der
Roten Pforte, des ehemaligen
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