Mordlicht
immer ein
schwankendes Einkommen. Mal mussten wir mit dem Pfennig rechnen, dann liefen
die Geschäfte wieder gut, und wir konnten uns manch kleines Extra erlauben.«
»Können Sie sich erinnern, ob Ihr Exmann 1996 oder
1999 plötzlich über mehr Geld als gewöhnlich verfügte?«
Die zwei Grübchen auf ihrer Wange sahen bezaubernd
aus, als sie lächelte. »Das kann ich nicht sagen. Ich kann mich jedenfalls
nicht an einen unverhofften Geldsegen erinnern. Weshalb fragen Sie?«
»Könnten Sie sich vorstellen, dass Frank Reiche an
einem Banküberfall beteiligt war?«
Sie setzte sich mit einem Ruck gerade hin. »Das klingt
absurd. Wir sind geschieden. Die Jahre mit Frank sind Vergangenheit. Aber das –
nein! Beim besten Willen. Das traue ich ihm nicht zu. So viel Mut hätte er nie
gehabt, eine Bank zu überfallen. Er war eher … wie soll ich das erklären? Nun,
ein Hasenfuß.«
»Hatte er in den Jahren Bekanntschaften, die er Ihnen
nicht vorgestellt hatte?«
»Sie meinen Frauen?«
»Eher Männer.«
»Sexuell?«
»Nein. Vielleicht so genannte Männerfreundschaften.«
»Das hätte ich bemerkt. Nein. Wir haben gemeinsame
Bekannte gehabt. Darüber hinaus hatte er Kontakt zu Leuten, mit denen er
beruflich verkehrte. Aber sonst?« Sie überlegte einen Moment und spitzte dabei
die Lippen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Ich glaube nicht.«
»Ist er denn gelegentlich verreist, ohne dass Sie
davon wussten?«
Erneut lachte sie. »Machen Sie Witze? Frank war
Vertreter. Der war ständig unterwegs.«
Achim Delmbüttel verabschiedete sich von der Frau. Für
ihn waren Befragungen dieser Art Routine. Jetzt war es schon Mittag. Freitag.
Zu dumm, dass er vor dem Wochenende noch den Bericht verfassen und nach Husum
schicken musste. Sein Garten wartete schon auf ihn.
*
Zur selben Zeit kehrten Christoph und Mommsen ins Büro
zurück, während Große Jäger noch kurz nach dem Hund sehen wollte. Er war in
seine Wohnung, die am Weg zwischen dem Marktplatz und der Polizeiinspektion
lag, gegangen, um mit »Blödmann« einen kurzen Spaziergang zu unternehmen.
»Das hat vorhin Überredungskunst gekostet, Wilderich
mit ins Storm-Café zu schleppen. Wenn’s nach ihm gegangen wäre, hätten wir
wieder Currywurst und Pommes gegessen.«
»Dabei gibt es in Husum viele Alternativen«,
pflichtete Christoph Mommsen bei und warf einen Blick auf die neuen Meldungen
in seinem Mailsystem. »Die Spurensicherung hat erstmalig Fingerabdrücke vom
›Schubser‹ feststellen können. Er hat sie auf den Einkaufstüten hinterlassen,
die er beim Überfall auf dem Friedhof angefasst hat. Doch auch in diesem Fall
ist der Inhaber der Abdrücke nicht in unserer Datei. Mir macht diese Serie
Sorgen. Die Presse berichtet darüber. Gottlob ohne Sensationsheischerei, aber
eine gewisse Unruhe lässt sich in der Bevölkerung nicht vermeiden.«
»Die Kollegen von der Schutzpolizei achten besonders
auf verdächtige Personen, die unserem Täter entsprechen könnten«, sagte
Mommsen. »Leider gibt es nur einander widersprechende Beschreibungen. Der
›Schubser‹ ist ein Nordfriese arabischer Herkunft mit Schlitzaugen. Er ist
gleichzeitig groß und klein, dick und dünn und trägt auf seiner Glatze langes
blondes Haar, das tiefschwarz und ganz kurz geschnitten ist. Viel schlimmer ist
aber, dass der Täter seine Bereitschaft zur Gewalt langsam steigert.«
Ihr Gespräch wurde durch einen Anruf des
Kriminaloberrats unterbrochen.
»Sie haben eine Akte aus Hessen angefordert? Über
einen Bankraub? Und Sie vermuten, dass einer der Täter in Leck ermordet worden
ist?«
»Das ist nicht endgültig bestätigt.«
»Wieso liegt die Akte noch bei Ihnen? Weshalb haben
Sie die Unterlagen nicht gleich zur Mordkommission nach Flensburg schicken
lassen?« Dr. Starke sprach mit der gewohnten Schärfe in der Stimme.
»Ich kann keine Akte weiterleiten, von deren Inhalt
ich keine Kenntnis habe«, erwiderte Christoph. »Das wäre unlogisch.
Mittlerweile sind die Unterlagen aber auf dem Weg zum K1.«
»Wollen Sie mir eine Belehrung erteilen? Es hat den
Anschein, als wären wir auf drei Täter gestoßen, die eine gemeinsame kriminelle
Vergangenheit haben. Jetzt hat es Streit gegeben. Vermutlich geht es um
Beuteanteile. Frau Dobermann und ihre Mannschaft werden diese Spur
weiterverfolgen.«
»Dann geben wir den Fall ab?«, fragte Christoph.
»Ja. Das ist eine Nummer zu groß für Sie und Ihre
Leute. Sie sollten weiter nach der verschwundenen Leiche suchen. Vielleicht
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