Mordlicht
ähnelte, vielleicht aber auch ein Gummiknüppel
war, wie die Polizei ihn nutzt, genötigt, die Hose herunterzulassen. Dann hat
der Unbekannte ihm gedroht, ihn an den Baum gefesselt und sich entfernt. Der
›Schubser‹ hat eine lange Zeit notgedrungen den Baumstamm umarmt, bis das
Mädchen von der Presse auftauchte, ihn erst aus allen Richtungen fotografiert
hat, um dann die Streife zu verständigen.«
Christoph war
sprachlos über die Neuigkeiten, obwohl in ihm sofort ein böser Verdacht keimte.
Grothe schien seine Gedanken erraten zu haben.
»Das, mein Sohn,
wird eine Sache sein, die von der Kripo aufzuklären ist. Auch wenn die Senioren
darüber froh sein werden, dass die Bedrohung auf unseren Straßen ein Ende hat,
dürfte das alles kein Ruhmesblatt für die hiesige Polizei sein. Ich will mich
ja nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen, aber vielleicht sollten Sie beim
Verhör des ›Schubsers‹ auf die Gegenwart Ihres Kollegen Große Jäger
verzichten.«
Dann widmete sich
der Polizeidirektor wieder den Vorgängen auf seinem Schreibtisch. Christoph
kannte dieses Ritual. Wortlos verließ er den Raum.
Noch bevor er die
Tür seines Büro öffnete, hörte er von drinnen eine lautstarke
Auseinandersetzung zwischen Große Jäger und Mommsen. Eigentlich war es nur
Große Jäger, der lauter als notwendig sprach.
»Ihr mit eurem
Scheiß-Tee. Die Brühe kann doch keiner trinken. Richtige Männer brauchen
Kaffee. Stark. Schwarz. Und in großen Bechern.«
»Es ist deine Sache,
Wilderich, dass du keinen Tee magst«, antwortete Mommsen. »Niemand zwingt dich
dazu, ihn zu trinken. Aber Christoph und ich sind nun einmal Liebhaber des
feinen Getränks. Du bist der Einzige hier im Büro, der Kaffee trinkt.«
»Und das ist für
dich Grund genug, nur Tee zu kochen? Warum kannst du nicht auch meinen Kaffee
aufsetzen?«, polterte Große Jäger und sah kurz auf, als Christoph ins Zimmer
trat.
Mommsen wollte
antworten, aber Christoph unterbrach ihn. »Moin, Wilderich. Ich glaube, wir
müssen mehr als ein ernsthaftes Wort miteinander reden.«
Große Jäger winkte
ab, setzte sich an seinen Schreibtisch, legte seine Füße auf die herausgezogene
Schreibtischschublade und zündete sich eine Zigarette an.
»Ich kann mir
denken, worauf du anspielst. Aber ich war die ganze Nacht in meiner Wohnung.
Leider war niemand zu Besuch, nicht mal ‘ne Arzthelferin, keiner hat mich
angerufen, und ich bin von niemandem gesehen worden.«
»Dann hast du
folglich schon die Husumer Nachrichten gelesen?«
»Nee, das mach ich
immer im Büro.«
»Und woher weißt du
von den Ereignissen im Schlosspark?«
»Ich habe andere
Quellen«, entgegnete Große Jäger unwirsch.
»So einfach ist das
nicht.«
»Du willst mir doch
nichts unterstellen. Niemand sollte ohne hinreichende Beweise verdächtigt
werden.« Dann sprang Große Jäger in die Höhe. »Ach, ihr könnt mich alle mal …«
Wütend verließ er den Raum und knallte die Tür hinter sich zu.
Christoph sah
Mommsen an. »Da gehört viel Engagement zu, als Solist das fertig zu bringen,
was dem ganzen Polizeiapparat über lange Zeit nicht gelungen ist. Das klappt ja
nicht in einer einzigen Nacht. Da musst du schon ein paar Tage unterwegs sein.
Trotzdem gibt es Dinge, die jenseits des Tolerierbaren liegen. Unser Kollege
ist ein richtig gutes ›Schnüffelschwein‹. Unbestritten. Aber manchmal ist er
leider etwas mehr ›Schwein‹ als ›Schnüffel‹«.
Mommsen zuckte nur
mit den Schultern. Was hätte er dazu auch sagen sollen.
Erst nach einer
guten halben Stunde kehrte Große Jäger zurück. Wortlos setzte er sich an seinen
Schreibtisch und rauchte. Es verging eine weitere halbe Stunde, bis er sich
umdrehte und mit seinem Stuhl an Christophs Arbeitsplatz heranrollte.
»Da«, sagte er und
legte einen zerknitterten Briefumschlag vor Christoph. »Das habe ich in der
Post gehabt.«
»Herrn Erich Jäger«,
las Christoph. Ein Absender war nicht angegeben.
»Was ist das?«
»Ich habe auf eine
dieser Kleinanzeigen in der Zeitung geantwortet. Du weißt schon: Sofortige
Hilfe auch in kritischen Situationen. Garantiert ohne Schufa-Auskunft. Das«,
Große Jäger tippte mit seinem Finger auf den Umschlag, »habe ich dafür
bekommen. Du kannst dir das Lesen sparen.«
»Weshalb zeigst du
mir es denn?«
»In dem Brief
findest du eine Telefonnummer, unter der du weitere Informationen erhältst.«
»Lass mich raten.«
»Gib dir keine Mühe.
0190er Nummer. Genau genommen 0190 8. Das ist die teuerste
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