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Mordlicht

Mordlicht

Titel: Mordlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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sprießenden Wildkräuter
zwischen den Bahnsteigen erfreuten hier in Husum jeden Ökofreak.
    »Moin, möchtest du
auch einen Tee?«, wurde Christoph in seinen Gedanken von Harm Mommsen
unterbrochen.
    »Moin, ja, gern.«
    »Hast du schon in
die Zeitung gesehen?«
    »Nein, ich habe nur
kurz im Radio Nachrichten gehört.«
    »Welle Nord oder RSH ?«
    »Nein, einen
überregionalen Sender.«
    »Dann weißt du noch
gar nicht, was sich heute Nacht in Husum ereignet hat?«
    »Nein. Was denn?«
    Mommsen grinste und
zeigte mit der Hand auf die aufgeschlagene Zeitung. »Der Aufmacher in den
Husumer Nachrichten.«
    Christoph wollte an
den Schreibtisch seines Kollegen treten, als sein Telefon klingelte.
    Es meldete sich Frau
Fehling, die Sekretärin von Polizeidirektor Grothe. »Können Sie bitte sofort
zum Chef kommen?«
    Kurz darauf betrat
Christoph das Vorzimmer des Leiters der Polizeiinspektion Husum.
    Die aparte
Endfünfzigerin sah von ihrem Computer auf und lächelte ihm freundlich zu.
    »Sie können gleich
durchgehen. Der Chef erwartet Sie.«
    Christoph klopfte
kurz an und betrat dann das Büro des Polizeidirektors. Grothe hockte hinter
seinem Schreibtisch, ohne Uniformjacke, dafür mit hochgerollten Hemdsärmeln,
die zwei kräftige Unterarme freigaben. Die breiten Hosenträger überspannten den
mächtigen Bauch, der hinter der Schreibtischkante verschwand. Der rote Kopf mit
dem silbernen Haarkranz, die buschigen Augenbrauen, all das trat zurück gegen
die dicke Zigarre, an der er zog, um dann den Rauch genussvoll in den Raum zu
blasen, in dem blaue Schwaden waberten.
    Christoph musste
daran denken, dass er den Polizeidirektor noch nie außerhalb von dessen Büro
gesehen hatte, weder im Waschraum noch in der Kantine, ja nicht einmal auf dem
Arbeitsweg. Grothe schien fest mit seinem Schreibtisch verwachsen zu sein.
    Wie immer grüßte der
vierschrötige Mann nicht, sondern zeigte wortlos mit seiner Zigarre auf den
Besucherstuhl.
    »Schon Zeitung
gelesen?«, fragte er in seiner kurz angebundenen Dithmarscher Art.
    »Nein, Chef, das
habe ich noch nicht.«
    Christoph hatte sich
seit Beginn seiner Tätigkeit in Husum dem Brauch aller anderen
Polizeibediensteten angeschlossen, die den Leiter nur mit »Chef« ansprachen und
damit den Respekt vor diesem Mann bekundeten.
    »Dann weiß ich gar
nicht, ob ich Ihnen gratulieren soll.«
    Christoph gab durch
das Hochziehen der Augenbraue zu verstehen, dass er dem Polizeidirektor nicht
folgen konnte.
    »Der ›Schubser‹ ist
gefasst. Jener Mann, der seit geraumer Zeit die älteren Mitbürger unserer Stadt
in Angst und Schrecken versetzt hat. Harry Rother heißt er. Ein eher feiges
Kerlchen, deshalb hat er sich auch nur an alten und hilflosen Opfer
vergriffen.«
    »Donnerwetter. Ich
bin eben erst auf die Dienststelle gekommen«, entschuldigte sich Christoph.
    »Dabei gab es
merkwürdige Begleitumstände. Ich fürchte, mein Sohn«, Grothe sprach
gelegentlich seine männlichen Untergebenen mit »Sohn« an, »da wird einiges an
Erklärungsbedarf auf Sie zukommen. Aber der Reihe nach. Heute Nacht meldete
sich ein unbekannter Anrufer bei den Husumer Nachrichten. Er nannte eine Stelle
im Schlosspark, unweit des Wasserturms, und sagte, dort würde die Zeitung etwas
Berichtenswertes finden. Daraufhin machte sich eine Mitarbeiterin der
Lokalredaktion auf den Weg. Sie stieß auf etwas Außergewöhnliches.«
    Grothe ließ ein
schallendes Lachen hören und reichte Christoph über den Schreibtisch hinweg die
aufgeschlagene Seite.
    Unter der
Überschrift »Schubser endlich gefasst« war ein großer kräftiger Mann zu sehen,
der einen Baum umarmte. Das Besondere an der Fotografie war, dass der Mann dort
mit heruntergelassener Hose stand.
    »Was Sie nicht sehen
können«, erläuterte Grothe, »ist, dass der Kerl an den Baum gefesselt war. Mit
Einmalhandschellen, wie die Polizei sie verwendet. Er war so verzweifelt, dass
er bereits im Schlosspark der herbeigerufenen Streife ein volles Geständnis
ablegte. Ja, er ist der ›Schubser‹, und er hat die Überfälle auf Senioren und
den jungen Behinderten am Hafen begangen. Und gestern hatte er einen Penner im
Visier, der damit prahlte, eine Nachzahlung des Arbeitsamtes in der Tasche zu
haben. Er war dem Betrunkenen in den dunklen Park gefolgt und wollte ihn an
einer günstigen Stelle überfallen. Das Opfer hat sich aber als ausgesprochen
widerstandsfähig erwiesen, den Täter überwältigt und mit einem Knüppel, der in
der Dunkelheit einem Totschläger

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