Mordlicht
Doktor?«
Der Arzt nickte. »Auf mich hört ja doch keiner. Ich
möchte Ihnen noch einmal ans Herz legen, dass …« Doch dann winkte er ab. Zu den
beiden Uniformierten gewandt meinte er: »Ich bin jederzeit erreichbar, falls es
erforderlich sein sollte.«
Die Polizisten halfen Christoph in den Bulli. Das
hilfsbereite Ehepaar erklärte sich bereit, den Beamten zur Wache zu folgen, um
dort seine Aussage zu hinterlegen.
Der Erste Hauptkommissar Ulrich Schröder war ein hoch
gewachsener, schlanker Mann. In Christophs Gegenwart nahm er das Protokoll auf
und las es vor.
»Ich, Jochen Klingenberg, und meine Ehefrau Brigitte,
waren zum Einkauf im Penny-Markt in der Klöngasse. Wir hatten unser Fahrzeug in
der Tiefgarage abgestellt. Als wir zum Pkw zurückkehren wollten, hörten wir auf
der Treppe ins Untergeschoss undefinierbare Geräusche. Als wir die Garagenebene
erreichten, sahen wir einen Mann in Richtung der Ausfahrt flüchten. Aufgrund
der diffusen Lichtverhältnisse können wir ihn nicht näher beschreiben. Wir
kümmerten uns um den Überfallenen, der am Boden kauerte und nach Luft rang.«
»Haben Sie mir die Plastiktüte vom Kopf gezogen?«,
mischte sich Christoph ein.
Herr Klingenberg sah ihn mit großen Augen an. »Nein.
Sie hatten keine Plastiktüte über dem Kopf.«
»Aber Sie haben mit die Arme in die Luft gezogen und
mir zugerufen: Atmen! Los! Nun hol doch Luft!«
Das Ehepaar Klingenberg sah sich an. Dann schüttelte
der Mann den Kopf. »Ich habe Sie nicht angefasst. Ich hätte auch gar nicht
gewusst, was ich hätte tun sollen.« Es klang fast wie eine Entschuldigung.
»Merkwürdig«, sagte Christoph und sah den Leiter der
Quickborner Polizei an. »Ich könnte schwören, dass es sich so zugetragen hat,
wie ich es eben schilderte. Dann muss noch ein unbekannter Helfer da gewesen
sein. Vielleicht war er es, den das Ehepaar hat flüchten sehen. Aber warum
sollte mich jemand überfallen und niederstrecken und mir eine Plastiktüte über
den Kopf ziehen, um sich anschließend um mich zu kümmern und mich wieder von
der Tüte zu befreien? Oder war wirklich ein Dritter zugegen, dem die Aktion zu
weit ging? Vielleicht sollte mir ein Denkzettel verpasst werden, und der erste
Täter ist nach Meinung des zweiten zu weit gegangen.«
»Und wenn es sich um einen einzelnen Täter handelte,
während der zweite Unbekannte sich erst um Ihre Rettung kümmerte, um dann den
eigentlichen Täter zu verfolgen?«, wandte Schröder ein.
»Das klingt ebenso mysteriös. Warum hat sich der
Verfolger dann nicht bei der Polizei gemeldet?«
Der Stationsleiter wandte sich an einen der beiden
Polizisten, die beim Einsatz vor Ort waren. »Das ist übrigens der Kollege Ben
Hegermann. Habt ihr etwas dergleichen gesehen oder mitbekommen? Und wo ist die
Plastiktüte?«
Der Streifenbeamte bedauerte. »Das hören wir jetzt zum
ersten Mal. Wir haben nichts von einer Plastiktüte gewusst.«
Der ganze Vorfall ist merkwürdig, überlegte Christoph.
War er nur das zufällige Opfer eines Überfalls, das beraubt werden sollte?
Dagegen sprach die gezielte Brutalität, mit der der Angreifer gegen ihn
vorgegangen ist. Auch bei den Banküberfällen und der Ermordung Reiches war
übermäßige Brutalität mit im Spiel gewesen. Es war nicht auszuschließen, dass
es jemand gezielt auf ihn abgesehen hatte. War es derjenige, von dem sie
vermuteten, dass er die Polizei bei ihren Nachforschungen beobachtete? Und in
welchem Zusammenhang stand Smitkov mit diesem Überfall? Das kurze Gespräch mit
dem Exilbulgaren hatte Christoph keine wesentlichen Erkenntnisse vermittelt.
Jetzt war Christoph gespannt, ob Mommsen hatte ermitteln können, mit wem
Smitkov so bewegt telefoniert hatte.
»Ich glaube, es geht jetzt wieder«, sagte Christoph.
»Ich werde mich auf den Heimweg machen.«
»Das werden Sie nicht«, beschied der Stationsleiter
mit Bestimmtheit. »Wir haben vorhin Ihre Dienststelle informiert. Man wird Sie
abholen.«
Jeder Widerstand war zwecklos. Christoph blieb nichts
anderes übrig, als sich zu fügen. Er litt immer noch unter Kopfschmerzen.
Er hörte vom Quickborner Hauptkommissar, dass die hiesige
Polizeistation mit acht Beamten und einem Diensthund besetzt sei und die
Aufgaben, wie auch anderswo, nur knapp zu bewältigen seien.
Es mochte eine weitere halbe Stunde vergangen sein,
als Christoph auf dem Flur ein Poltern hörte. Er ahnte, wer ihn abholen würde.
Im selben Moment stürmte Große Jäger in den Raum. Er schoss auf Christoph
Weitere Kostenlose Bücher