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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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die rauen Felswände und den steinigen Boden. Missler ließ den Strahl noch einmal über das nahezu bewegungslose Wasser streichen, in dem sich links der Leiche sanfte Wellen abzeichneten, ausgelöst von Tropfen, die alle paar Sekunden von der Decke fielen. Der Beamte überlegte, wie lange der Mann wohl schon in dem Wasser liegen würde. »Da hat jemand den Begriff ›Mordloch‹ allzu wörtlich genommen«, stellte er mit gewisser Ironie fest, um überhaupt etwas zu sagen. Sein Kollege nickte und wandte sich wortlos in Richtung Ausgang. Missler folgte ihm. Vor der Höhle waren die Neugierigen, darunter viele Wanderer mit Rucksäcken, inzwischen immer dichter an das Loch herangerückt. »Meine Herrschaften«, rief ihnen Missler entgegen, »bitte treten Sie zurück. Machen Sie Platz.« Nur widerwillig folgte die Menge den Anweisungen. »Liegt da wirklich ein Toter drin?« fragte ein älterer Herr. Missler antwortete nicht, sondern drängte die Zuschauer mit energischen Handbewegungen zurück. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge, um vom Streifenwagen aus den Polizeiführer vom Dienst in der Kreisstadt Göppingen zu informieren.
    Während weitere Streifenwagen eintrafen und die Beamten nun den Zugang zur Höhle weiträumig absperrten, war die Nachricht von dem Leichenfund auch schon bis zu den Ausflüglern bei der ›Oberen Roggenmühle‹ gedrungen. Inzwischen drehten sich die Gespräche an den Biertischen, die im Freien aufgestellt waren, nur noch um dieses Thema. Gespannt wurden die vielen Einsatzfahrzeuge verfolgt, die mit Martinshorn und Blaulicht auf der nahen Straße talaufwärts rasten.
    Gastwirt Martin Seitz, der an einem solchen Sommersonntag in seiner Küche im ersten Stockwerk alle Hände voll zu tun hatte, ließ sich von einer Bedienung berichten, was drunten an den Tischen gesprochen wurde. Dabei legte er sein langes Küchenmesser beiseite und lehnte sich an die Arbeitsplatte. Nebenan auf dem Herd zischte ein Schnellkochtopf, brutzelte Fleisch in einer Pfanne. »Weiß man, wer der Tote ist?« erkundigte er sich und hielt damit die junge Frau vom sofortigen Verlassen der Küche ab. Ein Gebläse röhrte.
    »Hab’ nichts gehört«, erwiderte sie einsilbig. Ihr Gesicht war blass.
    »Und wie lange er schon drinlag?« bohrte er weiter.
    Sie schüttelte den Kopf und zögerte. »Hat bisher niemand was dazu gesagt.«
    Ihr Chef wandte sich wieder den Töpfen zu, um das Fleisch zu wenden. Fett spritzte. »Wenn du was hörst«, sagte er so leise, dass es fast nicht zu verstehen war, »dann sag’ mir bitte gleich Bescheid. Verstanden?« Die Frau nickte und verließ den Raum. Von der Straße drang wieder das Heulen von Martinshörnern herauf. Draußen auf dem Flur wurde Leo unruhig.
     
    Jetzt musste alles schnell gehen. Für die kommende Nacht war schlechtes Wetter angekündigt. Der Ausläufer eines atlantischen Sturmtiefs würde über Mitteleuropa hereinbrechen und von der Nordsee bis zur Schwäbischen Alb stundenlange ergiebige Regenfälle bescheren. Ideale Voraussetzungen, hatte der Chef gesagt, und ihn auf dem Handy angerufen. Freddy Osotzky, ein Trucker wie aus dem Bilderbuch, kräftig und wild entschlossen, sich von nichts und niemanden aufhalten zu lassen, war an diesem frühen Sonntagnachmittag mit seiner Frau auf einem Fest der Geislinger Gartenfreunde gewesen. Jetzt aber galt es, einen wichtigen Auftrag zu erledigen, wie schon so oft. Er verabschiedete sich von Ellen, seiner Frau, winkte den Freunden am Tisch zu und fuhr mit seinem klapprigen Golf kurz nach Hause, um die wichtigsten Utensilien zusammenzupacken, die er stets griffbereit hatte. Zwei Tage würde er mindestens unterwegs sein – wenn’s gut lief. Eineinhalb Stunden später bog er im 20 Kilometer entfernten Heidenheim in den Betriebshof seines Arbeitgebers ein. Hier auf dem riesigen Firmenareal in einem ausgedehnten Gewerbegebiet waren zwei Dutzend blauweiße Sattelzüge und Lastwagen der Spedition ›Eurotransco‹ akkurat aufgereiht und zur Abfahrt bereit gestellt. Die meisten würden um 22 Uhr, wenn das Sonntagsfahrverbot aufgehoben war, auf ihre tagelangen Touren gehen, quer durch Europa. Einige mussten ihre Frachten noch bei den Auftraggebern abholen, andere waren bereits im eigenen Hochregallager beladen worden.
    Dass Osotzky schon jetzt in die Firma gerufen wurde, lag an den umfangreichen Vorbereitungen, die jedes Mal notwendig waren. Zwar hatte er die Fracht bereits Mitte der Woche geladen, weil für Freitag schlechtes Wetter

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