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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Papiertaschentuch von den Fingern.
    Als die Kapelle ihr Stück gespielt hatte, griff Bürgermeister Roland Pollatzky zu einem der Mikrofone. »Verehrte Gäste«, begann er und erweckte damit die Aufmerksamkeit. »Namens der Stadt Gerstetten darf ich Sie ganz herzlich begrüßen und Ihnen für Ihr Interesse an den Museumsfahrten danken. Ohne das Engagement der Ulmer Eisenbahnfreunde wäre dieses Erlebnis nicht möglich.« Die Gäste spendeten Beifall. Kruschke, der in Gerstetten wohnte, näherte sich dem Redner und fühlte sich geschmeichelt. Der Bürgermeister wünschte den Gästen einen angenehmen Aufenthalt und zählte die Besonderheiten der kleinen Stadt auf, darunter das neue Riff-Museum, das erst vor zwei Jahren im Bahnhofsgebäude eingerichtet worden war und das die erdgeschichtliche Entwicklung dieses Landstrichs eindrucksvoll dokumentierte.
    Der junge Schaffner hielt sich im Hintergrund. Er hatte Hunger. Deshalb reihte er sich in die Schlange vor einem der Imbissstände ein, um die herum es verlockend nach gegrillten Würsten duftete. Nur mühsam ging’s voran. Unter den Wartenden erkannte er viele Gesichter, die er unterwegs im Zug bei der Fahrkartenkontrolle gesehen hatte. Auch an diese Familie hinter ihm konnte er sich erinnern, besonders an den bärenstarken Mann. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte der Oberarmprotz: »Entschuldigen Sie, nur mal eine Frage.« Offenbar hatte der Mann auf eine günstige Gelegenheit gewartet. Metzger, der in dessen Gegenwart noch viel schmächtiger wirkte, als er es ohnehin war, zeigte sich interessiert und drehte sich nun ganz zu ihm um.
    »Ihr seid ein klasse Verein«, sagte der Kleiderschrank mit tiefer Stimme, »mein Kompliment. Aber ...«, er wurde leiser, damit es die anderen Wartenden in der Schlange nicht hören konnten, »könnte es sein, dass nicht alles so Friede, Freude, Eierkuchen ist, wie es den Anschein hat?« Er behielt sein Gegenüber fest im Auge. Metzger hatte Mühe, diesem Blick nicht ängstlich auszuweichen. Er schluckte und war froh, dass sich die Schlange einen halben Meter bewegte und er nachrücken konnte.
    »Ich versteh’ nicht ganz ...?« fragte er und ärgerte sich, dass seine Stimme plötzlich so unsicher klang.
    »Naja«, der Hüne zeigte sich wieder versöhnlich und folgte dem jungen Mann einen Schritt nach, »ihr bringt hier die Touristen in die Dörfer und die Jungs hier oben wissen es nicht zu schätzen, oder wie seh’ ich das?«
    Der junge Eisenbahner zuckte verlegen mit den Schultern. »Ganz so ist es nicht«, entgegnete er diplomatisch. »Oder woran denken Sie?«
    Der Fremde kniff die Augen zusammen und nahm seinen Gesprächspartner scharf ins Visier. »Zwei Stichworte, Mister Schwäbische Eisenbahn, nur zwei: Gigantische Windkrafträder und horrende Schweineställe. Na, dämmert’s?«
    Metzger wich jetzt den stechenden Blicken aus und schwieg. Er hatte glücklicherweise den Imbissstand erreicht und bestellte eine rote Wurst. Der Verkäufer, ein hemdsärmliger Typ, den er vom Sehen her kannte, reichte sie ihm und kassierte. »Haben Sie’s schon gehört?« fragte der Wurstverkäufer eher beiläufig, während der Muskelprotz wie ein Schatten hinter Metzger drohte. Der junge Schaffner verstand nicht, was gemeint war. Obwohl er keinerlei Interesse an weiteren Neuigkeiten bekundete, beugte sich der Mann hinterm Verkaufsstand über den Tisch und flüsterte ihm zu: »Im Mordloch haben sie eine Leiche gefunden.«
    Florian, ohnehin etwas zart besaitet, wurde bleich. Ihm drohte beinahe ein Bissen im Halse stecken zu bleiben.
     
    Die beiden Streifenbeamten waren durch ein Spalier dutzender Neugieriger zum schattigen Höhlenschlund vorgedrungen und hatten mit starken Handlampen den felsigen Gang ausgeleuchtet. Hauptkommissar Harald Missler, im nahen Eybach wohnhaft, kannte sich hier aus. Er war schon häufig in Trockenzeiten in das finstre Loch eingestiegen. Deshalb eilte er jetzt voraus und stand bereits nach wenigen Sekunden vor dem glasklaren Wasser, das den abwärts führenden Gang versperrte und einen so genannten Syphon bildete. Der Strahl seiner Lampe brach sich auf der Oberfläche und traf den leblosen Körper eines Mannes, der am Grunde des etwa 70 Zentimeter tiefen Wassers auf dem Rücken lag, die Arme seltsam abgewinkelt, das Gesicht fahl und weiß und irgendwie verzerrt. Er trug eine Jeans und einen hellen Wollpullover. Für einen Augenblick starrten die Uniformierten schweigend auf den Toten und leuchteten dann das Umfeld ab –

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