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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Rasthaus auftauchen. Wie geplant, würde er dort die vorgeschriebene Pause von 45 Minuten einlegen und einen technischen Check machen.
    Als die blauweißen Schilder die Ausfahrt zum Rasthaus »Hunsrück-Ost« ankündigten, setzte er den Blinker und verlangsamte das Tempo. Der Sattelzug bog von der Autobahn ab und rollte auf den Parkplatz, der für Lastzüge gekennzeichnet war. Osotzky hielt aber nicht bei dem halben Dutzend Fahrzeuge an, das dicht beieinander stand. Er steuerte seinen Sattelzug bis ans äußerste Ende der asphaltierten Fläche, stoppte und ließ den Motor laufen. Einen Augenblick lang blieb er hinterm Steuer sitzen, um abwechselnd im linken und rechten Rückspiegel die Situation auf dem beleuchteten Parkplatz zu beobachten. Nichts bewegte sich. Ihm war auch kein anderes Fahrzeug gefolgt. Und die Kollegen in den anderen Lastwagen, rund 50 Meter von ihm entfernt, schienen in ihren Kojen zu schlafen. Jetzt, erst viereinhalb Stunden nach Ablauf des Sonntagfahrverbots, waren die Lkw-Parkplätze noch nicht stark frequentiert.
    Osotzky öffnete die Tür und sprang in die regennasse Nacht hinaus. Sofort blies ihm der Wind den Niederschlag ins Gesicht. Wirklich ein Sauwetter, dachte er. Er warf ein paar prüfende Blicke in die Umgebung und rannte zuerst zu einer Buschgruppe hinüber, um sich des Blasendrucks zu entledigen. Dann eilte er zu seinem Sattelzug zurück, dessen Dieselabgase sich mit der feuchtkühlen Luft vermischten. Er begutachtete kritisch die Unterseite. Als er das Heck erreicht hatte, wiederholte er die Prozedur auf der anderen Seite, war zufrieden, und kletterte wieder in die Fahrerkabine. Behagliche Wärme schlug ihm entgegen. Er griff nach der Thermoskanne, die in seiner Ledertasche steckte und goss sich heißen Kaffee in einen Plastikbecher. Dann lehnte er sich zurück, um ein paar Minuten zu dösen.
    Schlafen konnte er allerdings nicht, sodass er keine Mühe hatte, pünktlich nach 45 Minuten weiter zu fahren. Im Radio-Nachtprogramm der ARD sangen die Klostertaler »Die Sterne steh’n guat auf d’Nacht.« Osotzky drehte lauter, legte einen Gang ein und sang den Refrain mit. Während sein tonnenschwerer Sattelzug über die spiegelnde Asphaltfläche rollte und der Zufahrt zur Autobahn zustrebte, suchte der Fahrer mit zusammengekniffenen Augen die Umgebung nach Verdächtigem ab. Er hatte sich gerade wieder in die A 61 eingefädelt, Fahrtrichtung Koblenz, als das Handy ertönte. Es steckte in der Freisprecheinrichtung, sodass er nur auf einen Knopf zu drücken brauchte.
    »Ja«, meldete er sich knapp. Am Display hatte er bereits gesehen, dass es sein Chef war.
    »Wo sind Sie?«
    »Hinter Bingen, kurz vor Koblenz.« Vor ihm fuhr jetzt ein Lastzug aus der Ukraine, dessen technischer Zustand keinen sehr vertrauenserweckenden Eindruck hinterließ.
    »Hören Sie zu«, krächzte die Stimme aus dem Lautsprecher, in dem die Klostertaler unterbrochen wurden, »es ist erhöhte Vorsicht geboten. Keinerlei Risiko. Es könnte Probleme geben ...«
    Osotzky konzentrierte sich auf die Worte seines Chefs. Doch auch in solchen Situationen behielt der bärenstarke Fernfahrer seine Ruhe. »Welcher Art, Chef?«
    »Es hat einen Mord gegeben«, sagte die Stimme knapp und fügte gleich hinzu: »Nein nichts, was uns beunruhigen könnte. Einer aus Waldhausen wurde angeblich umgebracht. Aber weil er zu meinem ...«, er suchte offenbar die passende Formulierung, »... zu meinem Bekanntenkreis gehört, ist damit zu rechnen, dass die Bullen zu schnüffeln beginnen.«
    Osotzky schluckte und starrte auf die Aufschrift am Heck des ukrainischen Lasters.
    »Wir ziehen’s aber trotzdem durch ...?« fragte er leicht verunsichert.
    Sein Chef antwortete energisch: »Aber natürlich. Nur erhöhte Vorsicht. Eine Panne können wir uns jetzt nicht leisten. Auf gar keinen Fall. Haben Sie verstanden?«
     
    Es hatte die ganze Nacht hindurch geregnet. Die Pegel der Flüsse waren bereits bedrohlich angestiegen. Als Kommissar Häberle an diesem Montag kurz nach sieben zur Kriminalaußenstelle nach Geislingen kam und die Kollegen mit Handschlag begrüßte, herrschte gedrückte Stimmung. Dieses Wetter, das die Hänge der Schwäbischen Alb in dichte Wolken hüllte, legte sich aufs Gemüt. Die Beamten der Sonderkommission hatten kurz vor Mitternacht den Lehrsaal des benachbarten Polizeireviers verlassen. Die Vernehmung des Familienvaters, der mit seinen beiden Kindern die Leiche entdeckt hatte, war protokolliert worden. Außerdem, so stellte

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