Mordloch
Häberle beim Blick auf die bereitliegenden Akten fest, hatten die Kriminalisten noch einige andere Ausflügler befragt, die im Wesentlichen natürlich dessen Aussage bestätigten.
Rudolf Schmittke, der große blonde Kripochef der Außenstelle, freute sich, den berühmten Häberle im Haus zu haben, dem inzwischen ein legendärer Ruf vorauseilte. Wenn Häberle eine Sonderkommission leitete, dann war mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Aufklärung des Falles zu rechnen.
Schmittke, erst vor knapp zwei Jahren in die Chefposition gekommen und zuvor lange Zeit für Betrugsfälle zuständig, war noch immer froh, bei heiklen Verbrechen, die Hilfe aus Göppingen in Anspruch nehmen zu können. Denn gerade wenn die Opfer Kontakt zu politischen Kreisen pflegten, wie es wohl bei diesem Flemming den Anschein hatte, dann konnte man sich als aufstrebender Kriminalist ganz schön in die Nesseln setzen. Er wusste nur allzu gut, dass selbst kleine Kommunalpolitiker gelegentlich Verbindungen bis in die höchsten Ebenen pflegten. Insbesondere, wenn sie den Konservativen angehörten, die in Baden-Württemberg seit Menschengedenken das Sagen hatten.
»Die Flemming hat bestätigt, dass der Tote ihr Mann ist und die Kollegen haben gestern Abend noch sein Umfeld beleuchtet«, erklärte Schmittke und setzte sich mit Häberle an einen der langen weißen Tische, auf denen mehrere Monitore und Computer miteinander verkabelt waren. Aktenordner und Schnellhefter lagen ungeordnet herum, dazwischen leer getrunkene Kaffeetassen und eine halb volle Colaflasche. Ein gläserner Aschenbecher enthielt drei Zigarettenstummel.
Häberle hörte interessiert zu.
»Dieser Flemming«, fuhr Schmittke fort, »scheint ein bunter Vogel gewesen zu sein. Versuchte mit allem Knete zu machen. Trotzdem ist er da oben bei den Älblern gar nicht mal so unbeliebt gewesen – ganz im Gegenteil. Sie hatten ihn zum Sprecher dieser Bürgerinitiative gegen ein Schweinestallprojekt gemacht.«
»Na ja, vieler Stimmen bedarf’s ja da wohl nicht«, lächelte Häberle, »ich schätz’ mal, dass in diesem Kaff mit seinen 200 Einwohnern nur so um die 140 Stimmberechtigte leben dürften – und wahrscheinlich ist die Hälfte davon am kommunalpolitischen Geschehen ohnehin nicht interessiert. Da müssen Sie nur ein paar Familien für sich gewinnen – und schon sind Sie Sprecher von irgendetwas.« Häberle sah durchs Fenster tiefhängende Regenwolken droben um die Burgruine Helfenstein ziehen.
»Sie haben Recht. Auch der Wühler ist bei der Ortschaftsratswahl letzten Monat noch knapp reingeschlüpft – mit läppischen 27 Stimmen. Sie werden ihn nach der Sommerpause wohl nicht mehr zum Ortsvorsteher küren.«
»Und was haben die Kollegen zu Flemmings Umfeld rausgekriegt?« zeigte sich der Chefermittler interessiert. Er war müde und unterdrückte ein Gähnen.
»Er stammte aus Heidenheim und ist vor sieben Jahren nach Waldhausen gezogen – mit seiner Frau. Mit ihr hat er einen Export-Import-Handel betrieben und insbesondere türkische Läden beliefert. Und jetzt kommt’s, Herr Häberle, was offenbar nur wenige wissen, das haben die Kollegen noch gestern Abend rausgekriegt.« Schmittke griff zu einem Schnellhefter und blätterte darin.
»Diese Frau, die offenbar so auffallend blond ist, ist eine türkische Staatsangehörige. Geboren in Side, diesem beliebten Urlaubsort im Süden – kennen Sie sicher –, und als Fünfjährige mit ihren Eltern nach Giengen an der Brenz gekommen. Sie hat dann 1995 diesen Flemming geheiratet – und zwar in Heidenheim.«
Häberle lauschte aufmerksam und verschränkte die Arme. »Damit erklärt sich ihr geschäftliches Engagement. Sie nützt ihre Beziehungen zur Türkei aus.« Der Kriminalist überlegte. »Und was hat Flemming vorher gemacht?«
»Da ist nicht allzu viel bekannt. Gebrauchtwagenhandel, Versicherungen, Immobilien, Kreditvermittlung – das Übliche, wenn man nichts gelernt hat und keinen ›blauen Anton‹ anziehen will.«
»Und strafrechtlich?«
»Ein paar Betrügereien, wohl im Zusammenhang mit dem Gebrauchtwagenhandel, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und einmal zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen illegalen Waffenbesitzes.«
»Ach«, entfuhr es Häberle, »weiß man dazu Details?«
»War noch während seiner Heidenheimer Zeit. Es ging wohl um ein halbes Dutzend Maschinengewehre, die man in seinem Kofferraum gefunden hatte. Er wollte sie angeblich nur von einem seiner türkischen Freunde zu einem
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