Mordloch
anderen transportieren. Die beiden verbüßen inzwischen langjährige Freiheitsstrafen wegen Drogengeschichten.«
Häberles rechte Backe zuckte. »Der Saubermann von der Alb ...«, bemerkte er, »ganz so sauber dann aber wohl doch nicht.«
Unterdessen traf auch Linkohr ein. »Habt ihr’s schon gehört?« begann er voller Tatendrang und außer Atem, »die Kollegen an der Wache drunten haben auf den heutigen Zeitungsartikel hin bereits einen Hinweis gekriegt.« Er zog einen zerknitterten Zettel aus der Hosentasche. »Ein junger Mann und seine Freundin haben in der Nacht zum Sonntag vor dem Mordloch eine verdächtige Person beobachtet.« Linkohr versuchte, seine handschriftlichen Notizen zu entziffern. »Diese hat in einem Kastenwagen irgendetwas sortiert oder umgeschichtet – und außerdem sei weiter vorne ein dunkler Pkw-Kombi gestanden, möglicherweise ein Mercedes.«
Häberle richtete seinen schwergewichtigen Oberkörper auf. »Ein Mercedes-Kombi?« wiederholte er, um triumphierend fortzufahren: »Kollegen, der Flemming hat ein solches Fahrzeug gefahren.« Das Interesse des Kommissars war mit einem Schlag gestiegen. »Wer ist der Hinweisgeber?«
Linkohr las vor: »Ein Oliver Berwanger, ist Bäcker drüben in Weißenstein.« Er nannte den Namen des Geschäfts, wo der Zeuge bis gegen zwölf Uhr zu erreichen sei. Seine Frau könne man daheim anrufen. Linkohr hatte auch deren Adresse und Telefonnummer notiert und kommentierte den Hinweis auf seine übliche Art: »Da haut’s dir’s Blech weg.«
Häberle entschied, den Mann sofort aufzusuchen und danach dem Musiker Hans-Ulrich Pohl auf den Zahn zu fühlen.
Es war eine verdammt lange Nacht gewesen. Eine Schinderei. Regen, Nebel, verschmutzte Windschutzscheibe. Baustellen, schlechte Sicht. Obwohl es nicht vorgeschrieben gewesen wäre, hatte er noch eine Pause eingelegt. Er war hundemüde geworden. Jetzt fühlte er sich schon wieder deutlich besser. Und nachdem er im Radio gehört hatte, dass es noch den ganzen Tag über regnen würde, steigerte sich seine Laune zusehends. Obwohl es wie aus Kübeln goss, ging er erneut um den Sattelzug herum, bückte sich alle paar Schritte, warf prüfende Blicke auf die Unterseite und kletterte dann mit feuchtem Hemd in seine Fahrerkabine. Dort steckte er das Handy in die Halterung zurück und war froh, dass sich sein Chef nicht mehr gemeldet hatte. Deshalb war wohl kaum mit den befürchteten Schwierigkeiten zu rechnen. Er rief auch nicht in der Firma an, denn sie hatten ausgemacht, telefonische Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Nicht allein der Kosten wegen.
Er startete den Motor und fuhr langsam an den rechts und links parkenden Kollegen vorbei – hinüber zur Autobahneinfahrt. Dort gab er kräftig Gas und fädelte sich in die morgendliche Kolonne der Lastwagen ein. Die Scheibenwischer fegten die Regentropfen zur Seite, aus dem Lautsprecher drang ein Lied der »Klostertaler«, das er lautstark mitsang. Er hatte eine CD eingeschoben, nachdem im Radio nur noch Sender zu empfangen waren, die progressive und aggressive Musik verbreiteten.
Eine CD-Länge später tauchte das erste Hinweisschild auf: Polizeikontrolle für Lkw, deshalb Tempobegrenzung auf 60 km/h. Gelbe Warnlichter zuckten. Osotzky hörte schlagartig auf zu singen und trat sanft auf die Bremse, um den Tempomat abzuschalten. Auch der Vordermann schien sich plötzlich penibel an die Vorschrift zu halten. Osotzky drehte die Musik leiser. Er wusste, was jetzt zu tun war. Er beugte seinen schweren Oberkörper zur Mitte des Armaturenbretts, ohne die Straße aus den Augen zu lassen, und öffnete die Klappe eines Ablagefaches. Blindlings ertastete er hinter einigen Papieren einen kleinen Schalter und legte ihn um. Dann lehnte er sich wieder entspannt hinterm Lenkrad zurück und ging in Gedanken die Frachtpapiere durch. Alles war in einem Ordner vorbereitet, fein säuberlich, daran hatte er gar keinen Zweifel. Auch die Tachografenscheibe würde allen Bestimmungen entsprechen. Die Lenkzeiten okay, die Ruhepausen auch. Schon tauchte der zweite Hinweis auf die Kontrolle auf, dann die blauweißen Zeichen, die einen Parkplatz ankündigten. Die Lkw-Kolonne bremste. Osotzky hoffte noch für einen Moment, dass er nicht herausgewunken wurde. Seinen Vordermann hatte es erwischt, der setzte bereits den Blinker. Sekunden später gab das Heck des vorausfahrenden Sattelzugs den Blick auf einen Uniformierten frei, der auf der Standspur mit der roten Anhalte-Kelle fuchtelte. Sie
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