Mordloch
geht um Flemming?« fragte der Wirt, auf dessen T-Shirt ein Fisch abgebildet war, der nur aus Kopf und Gräten bestand.
Häberle nickte. »Nur ein paar wenige Fragen, vorläufig. Er war gestern Abend hier?«
Seitz nickte. »Wir hatten einen ›Schwäbischen Abend‹ – mit dem ›Kaos-Duo‹. Er saß da drüben«, er deutete mit dem Kopf in den größeren Teil der beiden abgeteilten Gasträume hinüber, »hat sich mit einigen Ortschaftsräten aus Waldhausen bestens amüsiert. Jedenfalls hat’s so ausgesehen.«
Linkohr schaltete sich ein: »Bei wem ist er denn gesessen?«
»Bei Mayer und Hellbeiner«, antwortete Seitz ernst.
Häberle knüpfte an: »Haben Sie mal gehört, worüber gesprochen wurde? Oder wurde gestritten?«
»Bei dem Lärm, der hier drin geherrscht hat, kriegen Sie kein Wort mit, selbst nicht, wenn Sie wollten. Eigentlich hätte die Veranstaltung drunten im Zelt stattfinden sollen – aber dafür war’s gestern zu kalt.«
»Flemming ist aber wohl bald gegangen?« machte Häberle weiter.
»Das hat mich auch gewundert, ja. Die Musiker waren noch nicht fertig. War wohl kurz nach elf, denk’ ich.«
»Hat er gesagt, wohin er wollte?«
Seitz schüttelte den Kopf. »Wenn, dann den beiden Kommunalpolitikern. Ich hab’ keine Ahnung. Die Stimmung jedenfalls war super.«
An der Tür zeigte sich eine große Frau, die die späten Besucher neugierig musterte, aber gleich wieder verschwand. Sie wirkte erschöpft.
»Diese Musiker«, meldete sich Linkohr zu Wort, »dieses Duo, wie lange waren die denn noch da?«
Der Wirt überlegte. »Nachdem sie zusammengepackt haben, sind wir noch da drüben bei einem Viertele gesessen«, er machte eine Kopfbewegung zu einem der Ecktische, »bis halb drei vielleicht, kann ich aber nicht sicher sagen.«
Häberle kniff die Augen zusammen. »Was war denn der Flemming für ein Mensch? Was hat er gemacht, beruflich, mein’ ich.«
»Alles Mögliche. Hat mit allem gehandelt, was zu Geld zu machen war. Jetzt hat er’s mit Künstlervermittlungen probiert«, berichtete Seitz und spielte mit einem Bierdeckel.
»Und sonst? So einer hat doch seine Finger überall drin«, versuchte Häberle, neue Anknüpfungspunkte zu finden. »Was hört man sonst so? Sie kennen sich in Waldhausen doch ein bisschen aus?« Sein Gegenüber unterdrückte ein Gähnen.
»Was man halt so hört ... in so einem kleinen Dorf wird viel geschwätzt.«
»Zum Beispiel?« Die Kriminalisten erschraken, als vom Nebenraum ein metallisches Scheppern ertönte.
»Nur Leo«, erklärte Seitz, »der macht die Tür auf.« Augenblicklich kam Leo, ein Mischling aus Hirtenhund, Irish Setter und Labrador, majestätisch um die Ecke getrottet und legte sich in seiner ganzen Größe vor die Küchentür. Offenbar wollte er nur sein Schlafplätzchen wechseln. Die Männer lächelten.
»Man muss wissen«, fuhr der Wirt fort, »wo verschiedene Interessen aufeinander prallen, gibt’s immer Reibereien.«
»Und die prallen dort aufeinander?« fragte Häberle. »Ein bisschen schon«, antwortete Seitz, »einerseits die eingesessenen Landwirte, andererseits so ein innovativer Kerl, wie der Wühler, der diese Schweinezuchtanlage plant und diese Besenwirtschaft eröffnet hat – und dann diese Investoren, die mit Windkraft Geld verdienen wollen ...«, er stockte kurz, »ja, und nun träumt man auch noch von Tourismus. Was ja nicht schlecht ist.«
Linkohr griff das Stichwort auf: »Tourismus? Die Eisenbahn?«
Seitz nickte. »Wir müssen die natürlichen Ressourcen, die unsere schöne Alb hier bietet, den Menschen draußen im Land vermitteln. Wandern, Radeln, Aussicht, Ruhe – und als Attraktion die Dampfeisenbahn.«
Der Wirt, das spürte Häberle, schien selbst großes Interesse am Fremdenverkehr zu haben. War ja legitim, als Besitzer eines Ausflugslokals. Der Sturm wurde heftiger, Regen prasselte gegen die Fenster. Das alte Haus knarrte.
»Und wer macht sich für den Tourismus so stark?« wollte Häberle wissen.
Seitz überlegte, verzog die Mundwinkel und rang sich schließlich zu einer Antwort durch: »Der Westerhoff. Heinrich Westerhoff. Ist irgend so ein Manager bei der WMF in Geislingen und erst vor einigen Jahren nach Waldhausen gezogen. Ihm gehört auch eine Windkraftanlage.«
Linkohr notierte den Namen auf einem Bierdeckel.
»Und was fällt Ihnen noch spontan zu Waldhausen ein?« Häberle wollte nicht locker lassen, blieb aber entspannt, als säße er aus reiner Freude an diesem Stammtisch.
Seitz drehte seinen
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