Mordloch
zusammen.
»Fahrzeugtyp, Kennzeichen, Besonderheiten am Fahrzeug?«
»Fahrzeug vielleicht ein VW-Bus, aber diese Kastenwägen sehen ja heute alle gleich aus«, erwiderte der Bäcker, »ja, könnte ein VW-Bus gewesen sein. Das Kennzeichen haben wir nicht gesehen, war ja auch viel zu dunkel. Aber meine Frau entsinnt sich an die Aufschrift. War schwer zu lesen, nur die hellen Buchstaben konnte man entziffern. War irgend-etwas mit Musik.«
Häberle und Linkohr stutzten.
»Mit Musik?« fragte der Kommissar zweifelnd.
»Ja, so ein Duo, sei’s gewesen.«
Häberle richtete seinen Oberkörper auf. »Ein Duo?« Schlagartig fiel es ihm ein: »Kaos-Duo? Kaos mit K vorne!«
Der Bäcker zuckte wieder mit den Schultern.
»Macht nichts«, entgegnete der Ermittler und schlug dem etwas übergewichtigen Mann freundschaftlich auf den linken Oberarm. »Ich glaube, Sie haben uns sehr geholfen. Sagen Sie Ihrer Frau einen schönen Gruß von uns. Vielleicht brauchen wir sie auch noch – fürs Protokoll.« Die beiden Kriminalisten standen auf und verabschiedeten sich.
16
Eschweiler. Es war die letzte Ausfahrt vor dem Ballungsraum Aachen, hinter dem die Niederlande liegen. Der Regen hatte nachgelassen und alles deutete darauf hin, dass die angekündigte Wetterbesserung von Westen her sich bemerkbar machte. Osotzky war seit einer halben Stunde hinter einem Tankzug aus Castrop-Rauxel gefahren, immer knapp 100. Jetzt setzte er den Blinker und schwenkte nach rechts aus. In den Rückspiegeln behielt er den nachfolgenden Verkehr im Auge und stellte zufrieden fest, dass kein anderes Fahrzeug die Autobahn verließ. Er nahm das Gas weg und ließ seinen Sattelzug die Ausfahrt hinausrollen, um die entgegengesetzte Einfahrt anzusteuern. In knapp zwei Minuten war das Wendemanöver vollzogen. Sollte es einen Beobachter gegeben haben, würde dieser vermutlich denken, der Lkw-Fahrer habe sich wohl verfranst. Bevor Osotzky auf der Einfädelspur aufs Gaspedal trat, vergewisserte er sich noch einmal in beiden Rückspiegeln, ob ihm ein Wagen folgte. Doch da war niemand hinter ihm. Der Dieselmotor seines Sattelzugs begann wieder zu röhren und sorgte für die nötige Beschleunigung, die es ihm ermöglichte, noch vor einem herannahenden Kastenwagen auf die Autobahn zu fahren. Der Himmel war grau und trüb – und Osotzky ging davon aus, das abziehende Regengebiet wieder einzuholen. Auf den Hinweisschildern standen die Namen von Städten, an denen er vor wenigen Stunden erst vorbei gekommen war, darunter Köln und Frankfurt. Osotzky legte eine neue CD ein und begann aus voller Brust mitzusingen, als sein absolutes Lieblingslied ertönte: »I sag ja nex, i moin ja bloß.« Ich sag’ ja nichts, ich mein’ ja nur.
Als er auf einen Container-Tieflader aufgeschlossen hatte, beugte er sich zur Mitte vor und öffnete wieder die Klappe des Ablagefachs. Mit der rechten Hand wühlte er sich durch Papiere, bis er den kleinen Hebel zu fassen bekam. Er vergewisserte sich, dass er ihn vorhin tatsächlich auf die obere Stellung gedrückt hatte. Zufrieden lehnte er sich wieder zurück. Der Auftrag war zu einem Großteil erledigt. Jetzt konnte so gut wie nichts mehr schiefgehen. Allerdings hatte ihn der Anruf des Chefs beunruhigt. Er kämpfte deshalb schon seit einigen Stunden mit sich, ob er telefonisch nachfragen sollte. Jetzt beschäftigte ihn diese Sorge so sehr, dass er beim Mitsingen den Text des Liedes vergaß. Erst das Ende des Refrains, in dem es hieß »sonst gibt’s noch z’mols a Sauerei«, brachte ihn wieder in die Realität zurück. Sonst gibt’s plötzlich eine große Schweinerei – hieß das auf Hochdeutsch. Osotzky wünschte sich inständig, dass tatsächlich niemals herauskommen würde, was er und sein Chef anstellten. Sonst würde es wahrlich eine große Sauerei geben.
Beim Rasthaus Rheinböllen wollte er den Tag verbringen. Neun Stunden musste er jetzt mindestens pausieren.
»Ich bin mit den Nerven völlig am Ende.« Die Frau warf ihre schulterlangen blonden Haare nach hinten. Die Ränder um ihre Augen ließen auf großen Kummer schließen.
»Sarah«, beruhigte sie der Mann, der ihr an seinem Schreibtisch im Hinterzimmer eines Teppichgeschäfts gegenüber saß, »was kann uns schon passieren? Dein Mann hat überall seine Finger drin gehabt. Wieso soll die Polizei auf die Idee kommen, dass ausgerechnet wir etwas mit dieser Sache zu tun haben?«
Sarah Flemming ballte die Fäuste, wie sie das immer im Zustand höchster nervlicher
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