Mordloch
Stimme: »Nach so einem Auftritt brauch’ ich frische Luft. Dann fahr’ ich meistens ein bisschen über die Alb, die Scheiben offen, eine Musikkassette drin. Das entspannt ungemein.«
Für ein paar Sekunden schwiegen die Männer. »Und da war nichts – unterwegs, mein’ ich?« hakte Häberle nach.
Der Musiker schluckte. Er verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Ach so, ja ...« Es klang, als habe er kapiert, worauf der Kommissar anspielte, »klar, ich war an diesem Mordloch. Ja, klar.« Pohl schien erleichtert zu sein, dass es nun heraus war. »Darauf hätten Sie mich auch gleich ansprechen können!«
Häberle sah ihm fest in die unsicheren Augen. »Oder Sie hätten’s uns sagen können. Haben Sie denn heut’ noch keine Zeitung gelesen? Es werden Zeugen gesucht, die in der Nacht zu gestern da draußen Verdächtiges beobachtet haben.«
Der Musiker schüttelte den Kopf. »Dazu bin ich noch gar nicht gekommen. Nach so einem Auftrittswochenende ist der Teufel los. Zuerst muss alles wieder weggeräumt werden – und dann sollten hier wieder Aufträge erledigt werden.« Er deutete auf die schallisolierte Tür, die ins Tonstudio führte.
Während sich Linkohr eifrig Notizen machte, hakte Häberle kritisch nach: »Sie sind also an der Roggenmühle losgefahren und haben schon nach ein paar hundert Metern wieder angehalten – ausgerechnet an diesem Mordloch?«
Pohl drehte seinen Kopf leicht zur Seite. »Ja, ausgerechnet da. Aber nur, weil meine Lautsprecherboxen und die Gitarre nicht richtig befestigt waren. Sie sind auf der Ladefläche hin- und hergerutscht.«
»Und da sind Sie nach hinten und haben sie wieder befestigt«, stellte der Ermittler fest.
»Genau. Wenn ich das nicht gemacht hätte, wären sie bei der Weiterfahrt ziemlich ramponiert worden. Ich hab’ also kurz dort angehalten – ist ja die einzige Möglichkeit auf der engen Straße – und hab’ die Spanngurte angebracht.«
»Und warum haben Sie dann die Innenbeleuchtung nicht eingeschaltet?« Häberle wurde eine Spur energischer.
»Weil sie defekt ist. Seit Monaten schon. Ich hab’ deshalb immer eine Taschenlampe dabei. Für alle Fälle.« Er stutzte. »Wie kommen Sie überhaupt da drauf, dass ich kein Licht angemacht habe?«
Häberle grinste. »Recherche, Herr Pohl, alles Recherche. Man hat Sie nämlich gesehen.«
Der Musiker überlegte. Er war wohl viel zu sehr beschäftigt gewesen, als dass er jemanden hätte bemerken können.
»Ein Pinkler war dort«, erklärte der Kommissar, »der hat Sie beobachtet.« Nach einer kurzen Pause ergänzte er: »Und noch etwas.«
»Noch etwas?« Pohl schien irritiert zu sein.
»Ja, einen dunklen Pkw-Kombi, vielleicht einen Mercedes.«
»Nee, den hab’ ich nicht gesehen. Ganz sicher nicht.«
Häberle wechselte blitzartig das Thema und wurde noch eine Spur lauter. »Wenn ich Sie richtig verstehe, dann wollen Sie uns weismachen, rein zufällig dort angehalten und weder diesen Pinkler noch den Mercedes gesehen zu haben. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo dort jener Mann ermordet wurde, mit dem Sie ein paar Stunden zuvor gestritten haben. Der auch noch bei Ihrem Auftritt war – und dort früher weggegangen ist, warum auch immer.«
Pohl holte tief Luft. »Ist Ihnen eigentlich klar, welch ungeheuerliche Verdächtigung hinter dieser Äußerung steckt?« Seine kräftige Stimme erfüllte den Raum. Er sprang auf, bewegte sich aber nicht von der Stelle. Linkohr behielt ihn im Auge, während Häberle wieder gelassen die Plakate an den Wänden studierte.
»Wenn Sie mir nicht augenblicklich sagen, welche Ziele Sie mit Ihren Fragen verfolgen«, wetterte der Musiker los, »dann rufe ich sofort einen Anwalt.« Er entfernte sich jetzt energisch von dem Tisch und eilte mit verstörtem Gesichtsausdruck zu einem schmalen Regal, gegen das er sich lehnte.
»Soll ich Ihnen sagen, was ich glaube?« fragte Häberle mit sonorer Stimme, »ich glaube, dass Sie ziemlich tief in die Sache verwickelt sind.« Noch bevor Pohl voll Empörung etwas aus sich hinausbrüllen konnte, sprach der Kommissar weiter: »Sie werden gestatten, dass sich unsere Spurensicherung Ihres Kombis annimmt. Ich nehme an, der steht hier irgendwo?« Er gab Linkohr ein Zeichen, worauf dieser zum Handy griff und die Kollegen der Sonderkommission anrief.
Pohl war inzwischen außer sich vor Wut und Zorn. Doch offenbar kämpfte er mit sich, ob er schreien oder sich kooperativ zeigen sollte. Nach zwei endlosen Sekunden des Schweigens entschied er sich
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