Mordloch
für das zweitere. »Okay, der Bus steht in der Garage.«
Häberle lächelte und nickte ihm zu. »Danke.«
»Darf ich fragen, wonach Sie suchen?« Pohl kam wieder an den Tisch zurück, blieb aber vor den Kriminalisten stehen.
»Ganz einfach: Wir wollen wissen, ob es Spuren von Herrn Flemming in Ihrem Fahrzeug gibt«, erklärte Häberle und stand auf, während Linkohr im Flüsterton mit einem Kollegen telefonierte und Pohls Adresse durchgab. Die Spurensicherung würde aus Göppingen anrücken und in spätestens einer halben Stunde da sein.
Der Musiker blieb für einen Moment wie versteinert stehen. »Ich kann Ihnen gleich sagen, dass Sie etwas finden werden.«
Die beiden Kriminalisten staunten. Häberle sah ihm fest in die Augen. »Sie meinen – eine Spur von Flemming?«
Pohls Gesicht wirkte plötzlich wie eine Maske. Er fuhr sich mit der linken Hand über die Stirn, als wolle er sie massieren. »Mit Ihren heutigen Methoden werden Sie Spuren finden, das sag’ ich Ihnen gleich«, sagte er mit leise gewordener Stimme.
18
Wühler konnte es nicht fassen. Immer und immer wieder las er die Worte, die mit Kugelschreiber auf ein kariertes Blatt geschrieben waren: »Einen hast du beseitigen können – uns nicht. Der Nächste bist du.« Als ob das verrostete Taschenmesser diese Drohung untermauern sollte, so hatte es den Zettel durchbohrt und ihn an den Holzpfosten geheftet. Wühler verharrte. Er wusste zunächst nicht, ob er dies ernst nehmen oder als einen makabren Scherz abtun sollte. Dann aber beschlich ihn ein Gefühl der Hilflosigkeit, der Angst und der Panik. Er blickte sich misstrauisch um, nahm plötzlich das nachlassende Rauschen der Dachrinne wahr.
Ihm wurde zunehmend klar: Das war kein Spaß. Das war bitterer Ernst. Nach allem, was er in den vergangenen Wochen und Monaten hatte erdulden müssen, gab es keinerlei Zweifel, dass dieser Unbekannte, der das Messer mit diesem Zettel in den Balken gestochen hatte, zum Äußersten entschlossen sein würde. Und alles sah danach aus, als ob dieser Mensch ihn für den Mörder von Flemming hielt.
Wühler ließ das Messer stecken und rannte quer über den Hof zum Wohngebäude hinüber. Die Tür war offen. Er trat in den dunklen Flur, in dem der strenge Geruch der Landwirtschaft in der Luft hing, ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und eilte in das Esszimmer. Seine Frau war in die Stadt gefahren, um die Stammkundschaft, die sie wöchentlich einmal aufsuchte, mit frischen Eiern zu beliefern. Er öffnete nacheinander mehrere Klappen und Schubladen an einem Einbauschrank, bis er fand was er suchte: Dünne Müllbeutel. Wühler riss zwei von der dicken Rolle ab und verließ wieder das Haus. Draußen auf dem Hof bemerkte er, dass der Regen aufgehört hatte. Mit wenigen Schritten erreichte er wieder den Balken, blieb schwer atmend stehen und sah sich langsam um. Entlang seiner »Besenwirtschaft« rannte eine schwarze Katze, in den Pfützen schwamm Laub, das der Sturm von den Bäumen gerissen hatte. Von den Stallungen herüber drang das monotone Rauschen eines großen Ventilators. Der Himmel wurde heller.
Wühler hatte sich entschieden, Messer und Zettel zu beseitigen. Man wollte ihn einschüchtern, sicher, aber das würde ihnen nicht gelingen, dachte er. Es durfte unter keinen Umständen ein Aufsehen geben. Hätte er jetzt die Polizei verständigt, wären die Ermittlungen hier oben in Waldhausen unerträglich geworden. Sein Schweinestallprojekt würde noch heftiger in die Schlagzeilen geraten – und möglicherweise nicht mehr umsetzbar sein. Wühler riss die beiden Müllbeutel mit einem kräftigen Ruck an der perforierten Sollbruchstelle auseinander, umwickelte mit dem einen seine rechte Hand und griff nach dem Taschenmesser. So würden dies wohl auch Kriminalisten tun, um keine Fingerspuren zu beseitigen – und auch keine zu hinterlassen. Das Messer ließ sich leicht aus dem Holz ziehen, während er mit der linken Hand den Zettel fest hielt. Dann umwickelte er das Taschenmesser mit der dünnen Plastikhaut und steckte es in die Hosentasche. Für einen kurzen Moment noch blieb er fassungslos auf den Zettel starrend stehen, ehe er sich der Werkstatttür zuwandte, die halb offen war.
Er würde Messer und Zettel in einem der Schränke verwahren. Seiner Frau wollte er nichts davon sagen, um sie nicht unnötig zu beunruhigen.
In der fensterlosen Werkstatt war die Luft stickig und es roch nach altem Öl, Mist und verrostendem Metall. An den Wänden waren die
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