Mordloch
des Teppichs stand und die Szenerie beobachtete.
Özmir sagte etwas auf Türkisch, worauf Mehmet sich sofort ihm zuwandte und interessiert eine Stelle beäugte, die offenbar nicht in Ordnung zu sein schien. Jetzt sprach auch Mehmet türkisch, worauf sich eine Diskussion entspann. Mehrfach falteten die beiden Männer den Teppich von einer Ecke aus herein, um beide Seiten prüfen zu können.
Schließlich stand Mehmet auf und ging die paar Schritte zu dem Ehepaar hinüber. »Es tut uns Leid«, sagte er, »ist ein falsches Stück.«
»Ach«, entfuhr es dem Rentner, »falsch? Was haben Sie denn festgestellt?«
»Webfehler, hier an Rand«, erwiderte der Türke und deutete zu jener Ecke, mit der sich Özmir noch immer beschäftigte.
»Setzt sich am Rand fort und zieht sich in Mitte fort – wie bei den anderen.« Mehmets Blick hatte einen besorgten Ausdruck angenommen. »Wenn Sie Teppich von Experten schätzen lassen, hat er nur Hälfte wert.«
Die Rentnerin wollte etwas sagen, doch ihr Mann kam ihr zuvor. »Und jetzt?«
»Wir tauschen um, kein Problem«, erklärte Mehmet sofort, »haben Sie noch Beleg? Rechnung? Lieferschein oder so was?«
Der Rentner nickte. »Natürlich, nur einen Moment bitte.« Er verließ den Raum. Seine Frau verfolgte unterdessen kritisch, wie die beiden Besucher den schweren eichenen Couchtisch beiseite stellten, um den Teppich aufrollen zu können. »Geht ganz schnell«, beruhigte sie Mehmet.
»Haben Sie denn überhaupt den Gleichen dabei? Die gleiche Größe und das gleiche Muster?« warf sie staunend ein.
»Ist nur diese Sorte und diese Größe betroffen«, erklärte der Vertreter. »Deshalb wissen wir, welche Käufer wir aufsuchen müssen. Haben gleich Ersatz dabei.«
»Schön«, meinte die Frau, während ihr Mann die geforderten Dokumente brachte und sie Mehmet reichte. Dieser setzte sich damit in den Sessel und studierte die Angaben. »Hab’ ich mir gedacht – ist ein Stück aus fortlaufender Seriennummer.« Er deutete mit dem rechten Zeigefinger auf eine Zahlenkolonne.
Dann nahmen er und Özmir den aufgerollten Teppich unter den Arm und schleppten ihn durch den Flur. Das Ehepaar hielt die Türen offen. An der Haustür legten sie das wertvolle Stück ab, um zunächst die Heckklappe des Kastenwagens zu öffnen.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte der Rentner, doch die beiden Männer winkten ab. »Sie sollen nix Unannehmlichkeiten haben«, erklärte Mehmet und trug mit seinem Kollegen die Teppichrolle durch den kurzen Vorgarten zum Fahrzeug hinaus, durch dessen Hecköffnung sie sie hineinschoben.
Anschließend zogen sie eine andere Rolle heraus und schleppten diese in das Wohnzimmer der Rentner. »Jetzt machen wir auch Boden noch nass«, bedauerte Mehmet, als sie mit ihren feuchten Schuhsohlen durch den gefliesten Flur kamen.
»Kein Problem«, beruhigte sie der Hausherr. Augenblicke später war der Teppich im Wohnzimmer ausgebreitet, als sei nie etwas gewesen.
»Aktion schon beendet«, lächelte Mehmet. Özmir kniete sich erneut nieder, um zufrieden festzustellen, dass dieses Stück tatsächlich fehlerfrei war.
»Nur noch Unterschrift«, bat Mehmet und legte einen grünen Lieferschein, der in den Teppich eingerollt war, auf den Tisch. Er deutete auf eine Stelle rechts unten und reichte dem Rentner einen Kugelschreiber. »Reine Formsache.«
Nachdem die Unterschrift vollzogen war, bedankte sich Mehmet, holte aus der Hosentasche eine Visitenkarte mit farbenfrohen Aufdrucken und reichte sie dem Hausherrn. »Wenn Sie wieder nach Istanbul kommen – wir sind stets zu Ihren Diensten.«
Dann verabschiedeten sie sich schnell und gingen eiligen Schrittes zu ihrem Kastenwagen. Das Ehepaar blieb unter der Haustür stehen, um ihnen beim Wegfahren zuzuwinken.
»Nette Männer«, meinte die Frau, »ist doch ein Riesenaufwand, der da betrieben wird.«
»Jetzt hab’ ich nicht mal geguckt, wo die hergekommen sind«, stellte ihr Mann fest, während sie in den Flur zurückgingen.
»Du meinst das Kennzeichen am Auto?«
»Ja. Die müssen doch hier in Deutschland eine Niederlassung haben.«
»Na ja«, meinte die Frau, »sie werden ja wohl kaum extra aus der Türkei hierher gefahren sein.«
Der Mann spürte plötzlich nagende Zweifel in sich aufsteigen. Doch er wollte seine Frau nicht beunruhigen und erwiderte nichts.
20
»Der Pohl hat mächtig Schiss«, meinte Linkohr, als sie mit dem Dienstwagen den Gairenbuckel erklommen. Das war die steilste Straße im Kreis Göppingen und
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