Mordloch
bestehe nämlich, so argumentierte auch Häberle, zwar keine konkrete Flucht-, dafür aber Verdunklungsgefahr, falls sein Musikerkollege ebenfalls in die Angelegenheit verwickelt war.
Der Kommissar wies darauf hin, dass er so bald wie möglich diesen zweiten Mann ausfindig machen werde. Dann beendete er das Gespräch und bat Schmidt, die Adresse des anderen Musikers zu ermitteln und herauszufinden, wo er tagsüber erreichbar sein würde. Der Schnauzbärtige versprach, dies sofort zu tun, nannte Häberle zuvor aber noch den Arbeitsplatz des Ortschaftsrats Hellbeiner. Dieser war ein Finanzbeamter und im Geislinger Finanzamt beschäftigt. »Auch das noch ...« seufzte Häberle ironisch. »Meine liebsten Freunde.«
Er schaute auf seine Armbanduhr. »Zuvor aber geh’n wir essen«, sagte er und warf Linkohr einen fragenden Blick zu. Der wusste sofort, was gemeint war. »Ich schlag’ das Gasthaus ›zur Stadt‹ vor«, erwiderte er. »Als Tagesessen gibt’s Linsen mit Spätzle. Steht so heute in der Zeitung.«
»Also noch eine positive Nachricht«, meinte Häberle.
Sie waren schon halb zur Tür draußen, als Schmidt ihnen nachrief: »Ach ja, der Sander hat angerufen. Er war ganz aufgeregt. Er will Sie dringend sprechen«, Schmidt deutete auf Häberle, »er wolle nicht nur Information, sondern hätte Ihnen auch etwas Wichtiges mitzuteilen.«
»Soll ich ihn anrufen?« fragte der Kommissar zurück.
»Ja, er bittet drum. Er sei aber bis 14 Uhr beim Mittagessen«, erklärte der Schnauzbärtige, um noch zu bemerken, »so weit ich weiß, geht der auch immer in dieses Gasthaus ›zur Stadt‹ essen. Vielleicht treffen Sie ihn.«
Häberle verließ, gefolgt von Linkohr, den Lehrsaal. Den Lokaljournalisten Sander beim Mittagessen zu treffen, war harmlos. Es gab schlimmere Tischnachbarn, dachte er.
24
Florian Metzger hatte den Rest des Vormittags in dem Vereinsheim verbracht, das eigentlich einmal Betriebsraum für den privaten Bahnbetrieb quer durch die Stadt Geislingen sein sollte. Die kleine Gruppe von Eisenbahn-Fans, die aus dem Dampfzug-Betrieb zwischen Amstetten und Gerstetten hervorgegangen war, hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sie dieses kleine innerstädtische Teilstück der »Tälesbahn« würden wieder aktivieren können. Sie waren voller Tatendrang, investierten selbst viel privates Geld und waren straff organisiert. Wie ernst sie es meinten, konnte jeder sehen, der hierher kam.
Für diesen frühen Nachmittag hatte sich Anton Kruschke angekündigt. Noch diese Woche würden sie nämlich jenen Bagger erhalten, mit dem sie die verwachsenen Böschungen wieder ordnungsgemäß würden herstellen können.
Der junge Hobbyeisenbahner hatte eigentlich ein ziemlich gespaltenes Verhältnis zu dem energischen Kruschke, der auf der Museumsbahnstrecke so etwas wie der Cheflokführer geworden war. Manchmal vertrug Metzger diese Art nicht, mit der dieser Mann andere zu bevormunden versuchte. Oftmals reichten schon kleine Randbemerkungen, um den anderen spüren zu lassen, wer das Sagen hatte. Gewiss, Kru-schke hatte Geld, sicher sehr viel Geld, und er war wichtig, wenn es darum ging, innerhalb des Vereins etwas finanzieren zu müssen. Insoweit, das war Metzger schmerzlich klar geworden, galten innerhalb eines Vereins dieselben Mechanismen, wie in allen anderen Lebensbereichen: Wer das Geld hat, hat die Macht.
Der junge Mann, Eisenbahner mit Leib und Seele, war bereit, alle Augen zuzudrücken und vieles zu akzeptieren, wenn es um das gesteckte Ziel ging, die Strecke durch Geislingen aufzumöbeln. Und da war Kruschke ein wichtiger Mann. Gleich von vornherein hatte er mit riesigem Enthusiasmus die Geislinger Interessengemeinschaft unterstützt, auch wenn es anfangs noch ziemlich aussichtslos erschien. Inzwischen aber waren die Skeptiker leiser geworden – und jene, die nur ein müdes Lächeln für sie übrig gehabt hatten, mussten neidlos anerkennen, was sie zuwege brachten.
Trotzdem wäre es Metzger lieber gewesen, Kruschke hätte sich eine Spur weniger leidenschaftlich dafür eingesetzt. Denn dieser Mann, das war kein Geheimnis, hatte bei allem, was er tat, oftmals auch seinen eigenen Vorteil im Sinn. Doch so sehr der junge Eisenbahner auch darüber grübelte, ihm war beim besten Willen nicht eingefallen, worin Kruschkes Interesse an diesen paar Kilometern Schiene bestehen könnte.
Metzger war ja einerseits froh, einen so wortgewaltigen und autoritären Mitstreiter für das Projekt zu haben. Doch er
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