Mordloch
trocken wurde.
»Und – haben Sie sich verabredet?«
»Nein, ich hatte einfach keine Lust dazu. Flemming war immer gleich so impulsiv – ich hingegen sehe die besseren Chancen darin, erst einmal die Entwicklung zu beobachten und dann mit den richtigen Mitteln zielgerichtet zu reagieren.«
»Was haben Sie ihm dann gesagt?« Häberle sprach ruhig weiter.
»Ich wollte ihn heute anrufen.«
Nach ein paar Sekunden des Schweigens, die Westerhoff schon dazu nutzen wollte, das Gespräch zu einem Abschluss zu bringen, blickte Häberle seitlich zu seinem Kollegen hinüber. »Wir haben da noch eine letzte Frage. Flemming hat nämlich nach Ihnen noch mal jemanden angerufen ...«
Linkohr wusste, dass er wieder zurückblättern musste. Er fand den Namen auch sofort. »Freudenthaler, heißt der Mensch, soll aus Frankfurt sein und irgendetwas mit Tourismus zu tun haben.«
Westerhoff zögerte eine Sekunde zu lange, wie der Kommissar feststellte.
»Freudenthaler?« wiederholte er, als ob er nicht verstanden hätte.
»Ja«, erwiderte Linkohr.
»Das ist eine ganz andere Geschichte«, nickte Westerhoff und wechselte das übereinander geschlagene Bein. »Fremdenverkehr, Vermarktung – irgendein Konzept, um diesen Teil der Schwäbischen Alb für den Tourismus zu entdecken.«
»Sie kennen diesen ... Freudenthaler?«, hakte Häberle nach.
»Wir sind schon mal zusammen gesessen, Flemming, Freudenthaler und ich. Dazu müssen Sie wissen, dass Flemming sofort für alles zu begeistern war, was nach lukrativem Geschäft aussah.«
»Sie nicht?«, unterbrach Häberle forsch. »Ich denke, Ihr Engagement bei der Windkraft lässt dies doch auch vermuten.«
Westerhoff lehnte sich zurück. »Es ist völlig legitim, sich heutzutage innovative Einnahmequellen zu erschließen.«
»Und welcher Art waren diese nun bei Freudenthaler?«
»Ich kann’s Ihnen nicht so genau sagen. Ihm schwebt so etwas, wie eine Investorengesellschaft vor, die alle touristischen Attraktionen bündeln und bundesweit dafür werben soll. Dazu will er auch die Eisenbahner gewinnen.«
»Eisenbahner?« Häberle stutzte.
»Die von den Ulmer Eisenbahnfreunden – die mit den historischen Dampfzügen«, erklärte Westerhoff.
»Und wer hat diesen Freudenthaler beauftragt?«
»Beauftragt überhaupt niemand«, erklärte Westerhoff, »soweit ich das weiß jedenfalls.«
»Und wo hält er sich auf?«
»Keine Ahnung. Ich hab’ auch keine Adresse – tut mir Leid.«
Der Kommissar kniff die Augen zusammen und nahm sein Gegenüber ins Visier. »Und die Frau Flemming – welche Rolle spielt sie bei allem?«
Westerhoffs Gesicht versteinerte und verlor die Farbe. Er versuchte wieder sein gezwungenes Lächeln. »Ich verstehe Ihre Frage nicht.« Mehr kam ihm nicht über die Lippen.
Linkohr blickte auf, Häberle lächelte ermunternd: »Was ist daran so schwer zu verstehen? Ich mein’ nur, wie ist Frau Flemming in diese ... in diese Tourismus-Sache involviert?«
Westerhoff zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
23
Die Gerichtsmediziner in Ulm hatten eine erste Zusammenfassung ihrer Untersuchung auf digitalem Weg nach Geislingen geschickt. Als Häberle und Linkohr im Lehrsaal des Polizeireviers eintrafen, teilte ihnen ihr Kollege Schmidt diese Neuigkeit mit. In dem Raum herrschte drangvolle Enge. Ein halbes Dutzend Kriminalisten hingen an Telefonen oder hämmerten auf den Tastaturen von Computern. An der grünen Wandtafel waren mit Kreide die Namen all jener Personen notiert worden, die im Zusammenhang mit dem Mord an Flemming bereits genannt wurden.
Schmidt bat den Chefermittler und seinen jungen Kollegen an einen abseits gerückten weißen Tisch, an dem sie Platz nahmen. Er sortierte mehrere Blätter eines ausgedruckten E-Mails. »Es ist also so, wie bereits vermutet«, erklärte er. »Flemming wurde mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen. Erhebliche Gewalteinwirkung im Hals- und Nackenbereich.«
»Kann man zur Tatwaffe etwas sagen?« fragte Häberle.
»Wir können von einem Stück Holz ausgehen, von einer Latte, einem Stock – oder sonst was. Sie wissen, die Kollegen haben am Pullover des Toten irgendwelche Holzfasern gefunden. Das LKA hofft, heute noch rauszukriegen, was man sich drunter vorzustellen hat.«
»Weitere Zeugen?«
Schmidt schüttelte den Kopf. »Kein einziger Anruf mehr.« Dann wollte er wissen, was die Vernehmungen bisher erbracht hatten. Linkohr blätterte in seinem Notizblock und berichtete. Das Wichtigste davon wollte er
Weitere Kostenlose Bücher