Mordloch
vorkam. Die Frau arbeitete seit eineinhalb Jahren bei ihm, doch jetzt schienen sich plötzlich gegenseitige Sympathien zu entwickeln, dachte er in diesem Moment. Aber dann verdrängte er den Gedanken, denn sie gab sich betont sachlich: »Herr Freudenthaler ist da.«
»Danke«, sagte Kruschke, erhob sich aus seinem abgewetzten Ledersessel und stieg über zwei Aktenberge, um zur Tür zu gelangen. Dort blickte er der Sekretärin nach, die selbstbewusst durch den weiß getünchten Gang stöckelte und hinter einer Tür verschwand.
Im Besprechungsraum hatte Freudenthaler auf einem der Plastikstühle Platz genommen, die um einen weißen Tisch gruppiert waren. Kruschke drückte dem Mann die Hand, murmelte ein paar belanglose Worte und setzte sich ihm gegenüber.
»Ich hab’ Ihnen am Telefon angedeutet, dass ich Interessantes für Sie habe«, erklärte Freudenthaler und öffnete einen schwarzen Aktenkoffer, den er auf die Tischplatte gestellt hatte. Die Schnappverschlüsse sprangen auf und er holte einen Schnellhefter heraus.
Kruschke verfolgte gespannt, um welche Unterlagen es sich handelte. Es waren offenbar ausgedruckte Mails mit umfangreichen Tabellen. »Ein Großauftrag«, lächelte Freudenthaler stolz und ließ wie zum Beweis für seine Aussage die einzelnen Blätter durch seine Hand gleiten.
Kruschke beugte sich ganz an den Tisch heran, um die Schriftstücke lesen zu können. Er sah die Namen von Firmen im weiten Umkreis. München entzifferte er, Augsburg und Lindau.
»Potente Kunden«, erklärte Freudenthaler, »zahlen den üblichen Preis.«
Kruschke nickte anerkennend. Er überschlug grob, um welche Mengen es sich in den Tabellen handeln würde. Jedenfalls nicht wenig.
»Und was ist es?« fragte er.
»Was wohl ...?« sein Besucher tat so, als sei es völlig überflüssig, sich darüber überhaupt Gedanken zu machen. »Das, was am meisten Knete bringt – was kein Mensch heutzutage noch loskriegt.«
Kruschke kniff die Lippen zusammen. Seine Freude hielt sich in Grenzen. »Und wann?« fragte er knapp.
Freudenthaler schien verunsichert zu sein. »Wie immer – so schnell, wie möglich.« Er schaute seinem Geschäftspartner zweifelnd in die Augen.
»Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was hier geschehen ist ...« dämpfte Kruschke die Euphorie. Sein Blick wurde finster.
Linkohr drückte sein Erstaunen wieder einmal durch seinen bekannten Spruch aus, nachdem er erfahren hatte, was bei der Durchsuchung von Pohls Kombi entdeckt worden war.
Auch Kollege Schmidt wusste nicht so recht, ob er sich freuen oder eher Zweifel äußern sollte.
»Wir beantragen Haftbefehl«, entschied Häberle. Er wollte selbst mit dem leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Wolfgang Ziegler sprechen. Schmidt wollte die Telefonverbindung herstellen, hegte allerdings Zweifel, ob der Chef der Ulmer Staatsanwaltschaft um die Mittagszeit erreichbar sein würde.
»Ich fass’ es nicht«, kommentierte Linkohr und lehnte sich zurück. »Hat er denn den Kollegen gesagt, warum er Flemmings Handy im Auto versteckt hat?«
»Er will es gefunden haben. Als er auf dem Parkplatz der Roggenmühle in seinen Kombi gestiegen sei, habe er es auf dem Boden liegen sehen. Zum Glück nicht in einer Pfütze. Dass es den Regen unbeschadet überstanden hat, wie die Kollegen feststellten, könne durchaus an dem Ledertäschchen liegen.«
»Und warum geht er dann nicht in die Roggenmühle zurück und gibt es dem Wirt als Fundsache ab?« Linkohrs Misstrauen war nicht zu überhören.
»Eben. Ich denke, die Indizien reichen vorläufig, ihn festzunehmen. Er verschweigt uns zunächst am Tatort gewesen zu sein, hantiert dort irgendwie seltsam in seinem Auto, sagt uns schon mal so durch die Blume, dass man wohl DNA-Material von Flemming bei ihm finden würde – und nun hat er auch noch sein Handy. Also, wenn das nicht reicht ...?«
»Und der Mercedes?« hakte Linkohr nach, »es muss dann einen Mittäter geben.«
Häberle nickte langsam. »Denken Sie mal scharf nach, Kollege. Der Musiker hat nicht allein gespielt. Zu einem Duo gehören doch immer zwei – oder seh’ ich das falsch?«
Linkohr erwiderte nichts. Schmidt hatte tatsächlich den Chef der Ulmer Staatsanwaltschaft noch ans Telefon gekriegt und das Gespräch zu Häberle herüber gestellt.
Der Kommissar erklärte mit knappen Worten, worum es ging. Ziegler hörte aufmerksam zu und bat um einen kurzen schriftlichen Bericht per Mail, hielt aber zuvor bereits die vorläufige Festnahme Pohls für dringend geboten. Es
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