Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
Vom Netzwerk:
kletterte der junge Eisenbahnfan in die kleine Kabine des leicht ramponierten Baggers, betätigte den Anlasser und fuhr ruckelnd zum geschotterten Bahndamm. Eine dicke schwarze Rußwolke stieg in die Luft. Der Bagger schaukelte und holperte über ein ehemaliges Abstellgleis. Die Schienenzwischenräume waren im Bahnhofsbereich mit Metallplatten ausgelegt, um ein Überqueren zu erleichtern. Kurz vor dem Hauptgleis brachte Metzger das Gefährt abrupt zum Stehen, sodass der Ausleger mit der Schaufel bedrohlich zu pendeln begann. Der junge Mann hantierte an mehreren Griffen, die ziemlich schwer nur zu bewegen waren. Schließlich gelang es ihm, den gesamten Bagger nach links zu steuern – hinein in das Gleis. Jetzt galt es, ihn exakt auf die Schienen auszurichten, damit die Metallräder auf dem Gleis saßen. Als Metzger die richtige Position erreicht zu haben glaubte, kletterte er aus seiner Kabine und prüfte die Radstände. Die Luft um ihn herum roch fürchterlich nach rußigem Dieselqualm. Er war mit seinem Rangiermanöver zufrieden und hangelte sich über die verrosteten Tritte wieder in die Fahrerkabine zurück. Dann ließ er das Gefährt auf die Schienen sinken und fühlte sich wie ein Eisenbahnkönig, als er den blauen Bagger erstmals ein paar Meter auf dem Gleis vorwärts bewegte. Nur etwa 20 Meter. Er wollte ihn vorläufig hier abstellen, um ihn am Abend seinen Vereinsfreunden vorzuführen. Als der junge Eisenbahnfan gerade die klapprige Fahrerkabine verriegelte, sah er im Augenwinkel einen Mann über die Gleise kommen.
    »Sie müssen der Herr Metzger sein«, stellte der korrekt gekleidete Herr fest, der nicht danach aussah, als passe er zu einer Baustelle.
    Metzger sprang vom letzten Tritt des Baggers auf den Schotter herab. »Bin ich, ja«, antwortete er leicht verunsichert.
    »Man hat mir gesagt, dass ich Sie hier treffen würde«, erklärte der Mann und stapfte mit seinen Halbschuhen durch den Schotter. »Darf ich mich kurz mit Ihnen unterhalten?« Metzger zögerte. Doch der Fremde wartete ohnehin keine Antwort ab: »Es geht um die Eisenbahn.« Er erreichte jetzt, leicht außer Atem, seinen verdutzten Gesprächspartner und hielt ihm die Hand zur Begrüßung entgegen. »Ich glaube ...«, so sagte der Mann dabei, ohne sich zunächst vorzustellen, »ich glaube, es wird Zeit, dass Sie etwas ganz Wichtiges wissen sollten.«
     
    Journalist Georg Sander war einigermaßen ungeduldig. Er hatte seit gestern nichts mehr Neues zum Mordfall Flem ming gehört – außer vielen Gerüchten. Auch sein Versuch, mit Häberle zu telefonieren, war erfolglos geblieben. Und Pressesprecher Uli Stock in Göppingen hatte lediglich viel sagend verlautbaren lassen, dass die Ermittlungen »in vollem Gange seien.« Klar, dachte Sander, es bestand wohl nicht die Notwendigkeit für einen Zeugenaufruf. Sonst hätte längst Kripochef Helmut Bruhn mit seiner unnachahmlichen Art darauf gedrängt, »die Pressefritzen« antanzen zu lassen. Stock klagte inzwischen darüber, dass er alle Hände voll zu tun habe, die Medienvertreter von auswärts zu informieren. Sat 1 hatte angekündigt, ein Aufnahmeteam zu schicken, nachdem sich offenbar herumgesprochen hatte, welche kommunalpolitische Brisanz dieser Mord in der äußersten Provinz haben könnte. In diesem Fall, da war sich Sander ganz sicher, würde Bruhn weder den Pressesprecher noch den Leiter der Sonderkommission vorschicken, sondern selbst vor die Kamera treten. Ein solches Verhalten war in allen Bereichen des Behördentums ebenso weit verbreitet, wie in der Politik. Kaum, dass irgendwo eine Videokamera auftauchte, drängten sich all jene in den Vordergrund, die sich normalerweise dazu berufen fühlen, anderen zu sagen, was sie zu tun haben.
    Sander, der weder mit Filmkamera, noch mit Mikrofon locken konnte, wollte deshalb eine andere Informationsquelle anzapfen. Er wählte die Nummer des Waldhauser Ortsvorstehers, den er für einen äußerst bodenständigen und umgänglichen Landwirt hielt. An diesem Nachmittag aber gab sich Karl Wühler ungewöhnlich wortkarg.
    »Ich möchte dazu eigentlich nichts sagen«, erklärte er knapp.
    Sander lehnte sich in seinen bequemen Bürosessel zurück und schaute durch die große Fensterfront der Redaktion zum Turm des alten Rathauses hinaus. »Es gibt mittlerweile unzählige Gerüchte«, bohrte er weiter.
    »Das kann man sich ja vorstellen«, entgegnete Wühler. Er schien tief Luft zu holen und zu seufzen. »Langsam geht das an die Substanz, glauben Sie

Weitere Kostenlose Bücher