Mordloch
Sie spuckte ihn an, wollte ihm mit letzter Kraft einen Faustschlag in den Magen versetzen – aber sie war am Ende. Als die fleischigen Hände des Mannes noch einmal auf jede Seite ihres Gesichts donnerten, war ihr Widerstand gebrochen. Er griff an ihren Gürtel, löste ihn und riss den Reißverschluss der Jeans mit einem einzigen Ruck krachend auseinander.
»Freudenthaler«, stellte sich der Mann vor. Florian Metzger stutzte. Diesen Namen hatte er schon einmal irgendwo gehört.
»Ich bin am Sonntag mitgefahren«, lächelte der Fremde, »war ja traumhaft.«
Aus Metzgers Gesicht entwich die Skepsis.
Freudenthaler erklärte, welcher Art sein Interesse sei und dass er auch beauftragt sei, das Marketing für diese Stummelstrecke durch die Stadt Geislingen vorzubereiten. »Mir ist bekannt, dass Sie dringend Güterverkehr benötigen«, erklärte er schließlich. »Ohne Fracht lässt sich das Vorhaben von Ihnen und Ihren Freunden auf die Dauer nicht finanzieren.« Er schaute interessiert den blauen Bagger an. »Ich schätze, das Ding hat auch schon ein kleines Vermögen gekostet.«
Metzger nickte. »Alles aus der eigenen Kasse bezahlt.«
»Und bis die Strecke wieder befahrbar ist, wird noch mancher Euro rollen müssen«, mutmaßte Freudenthaler und besah sich die verrostete Weiche, von der ein Abstellgleis abzweigte, zwischen dem Gras wucherte und meterhohes Gebüsch in die Höhe ragte.
»Wir sind sehr stark auf Sponsoren angewiesen«, erwiderte der junge Mann und steckte seine Hände in die Taschen seines blauen Overalls. Sein Gesprächspartner trat auf dem unebenen Schotter von einem Bein aufs andere.
»Ich wollte Sie einfach mal kennen lernen«, sagte Freudenthaler und musterte den Hobbyeisenbahner, »nachdem ich schon so viel von Ihnen gehört habe. Sie ...«, er überlegte, »... Sie scheinen mir sehr engagiert zu sein. Deshalb wird es Zeit, Sie in eine Sache einzuweihen, die Ihrem Vorhaben nur dienlich sein kann.«
Metzgers Gesichtsausdruck wurde wieder skeptischer.
»Der Herr Kruschke vertraut Ihnen sehr«, begann Freudenthaler, »nur Sie begegnen ihm mit gewisser Vorsicht, wie es scheint.«
»Wer sagt das?« hielt Metzger entgegen.
»Er selbst sagt das.«
Der junge Mann stutzte. Das hätte ihm Kruschke auch selber sagen können, dachte er, weshalb er staunend feststellte: »Sind Sie gekommen, um mir das zu sagen?«
Der Manager lächelte und musste blinzeln, weil ihm die Sonne direkt ins Gesicht schien. »Natürlich nicht. Herr Kru-schke und ich, wir arbeiten sozusagen an einem Wirtschaftlichkeitskonzept – in Ihrer aller Interesse.« Freudenthaler suchte nach den passenden Formulierungen und begann zu schwitzen.
»Das klingt ja schon mal positiv«, meinte Metzger.
»Sie wissen, Herr Kruschke ist Speditionsunternehmer«, begann der faltenreiche Mann vorsichtig. »Er ist aber keinesfalls nur auf die Straße konzentriert, sondern würde auch die Schiene mit einbeziehen.«
Metzgers Gesicht hellte sich wieder auf.
»Er könnte sich hier an diesem Tälesbahnhof, wo der Platz ausreichend wäre«, er deutete auf das freie Areal, »da könnte er sich eine kleine Güterabfertigung vorstellen. Stückgut, das von Firmen angeliefert wird.«
Metzger lächelte und kratzte sich am Kinn. »Diese Überlegungen sind nicht ganz neu.«
»Neu ist«, entgegnete sein Gesprächspartner, »dass Herr Kruschke hier ein oder zwei Behälterwaggons abstellen würde, um in größerem Stil ins Recycling-Geschäft einsteigen zu können.«
Der junge Mann hatte so etwas tatsächlich noch nicht gehört. »Altöl und so Zeug?« fragte er deshalb spontan nach.
»Zum Beispiel, ja«, kam die Antwort, »aber alles sozusagen im geschlossenen System. Tankwagen kommen, schließen hier ihre Schläuche an, pumpen um – und fertig. Und einmal die Woche, vielleicht auch zweimal, wird dann der Waggon zum Hauptbahnhof raufrangiert und von einem dieser privaten Güterzüge mitgenommen. So einfach ist das. Und Kruschke bezahlt für die Streckennutzung. Er macht sein Hobby zum Geschäft.«
»Und darf ich fragen, wozu er Sie braucht?« Der junge Mann sah sein Gegenüber von unten bis oben an.
»Fürs Know-how«, entgegnete ihm Freudenthaler überlegen, »denn eines müssen Sie wissen: So eine Sammelstelle hier hätte ungeahnte betriebswirtschaftliche Vorteile.«
Freudenthaler lächelte und meinte, als er sich langsam über das Schotterbett davon machte: »Das braucht Sie allerdings nicht zu interessieren. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass
Weitere Kostenlose Bücher