Mordloch
Pohl auf ein Signal für eine baldige Entlassung gehofft.
Häberle klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Glauben Sie mir, wir bringen Licht in das Dunkel.«
Auch Pohl und Linkohr erhoben sich. »Wissen Sie was, Herr Häberle«, sagte der Musiker, »wenn ich hier rauskomme, gibt’s ein Lied auf Sie.«
Der Kommissar, der sich bereits zur Tür gewandt hatte, drehte sich erstaunt um: »Wie kommen Sie denn da drauf?«
»Ich hab’ den Text schon fertig«, erwiderte Pohl und schaute dem Kriminalisten fest in die Augen, »er heißt: ›Die Wahrheit kommt immer auf den Tisch‹. Daran sollten Sie denken.«
29
»Gut gemacht, Osotzky«, lobte Kruschke und schlug seinem bärenstarken Fernfahrer freundschaftlich auf die Schulter, »auf Sie ist Verlass.« Osotzky hatte den blauen Sattelzug aus der firmeneigenen Waschanlage herausgesteuert und rückwärts in eine Halle rangiert, in der fünf weitere Fahrzeuge parkten. Der Chef und sein Angestellter öffneten die Heckklappe des blitzblank geputzten Sattelzugs und inspizierten die darin montierten Fässer. »Alles okay«, stellte Kruschke fest, »sehr gut, spitze.«
Dann verließen sie die Halle, überquerten den Hof und gingen in das Verwaltungsgebäude, in dem sich das unaufgeräumte Chefbüro befand. Vorbei an der offen stehenden Tür zum Büro der überaus freizügig gekleideten Sekretärin, erreichten sie Kruschkes Reich.
»Das Geschäft brummt«, begann Kruschke, »und das lohnt sich auch für Sie.« Er lächelte und fragte: »Kaffee?«
Osotzky lehnte ab und verschränkte die Oberarme, die aus einem kurzärmligen blauen Hemd quollen.
»Die Sache mit Belgien läuft wie am Schnürchen«, erklärte der Chef, »Aufträge am laufenden Band.«
Osotzky kniff die Augen zusammen. »Aber das Wetter spielt nicht mit«, gab er zu bedenken.
Kruschke nickte und schob einige Schriftstücke zur Seite, um auf seinem Schreibtisch wieder ein paar Quadratzentimeter Mahagoniholz erkennen zu können. »Ist nicht tragisch«, erklärte er, »vorläufig geht’s in die andere Richtung.« Er wartete die Reaktion seines Fernfahrers ab.
»Südosten?« fragte dieser knapp zurück.
Kruschke nickte. »Am Wochenende vermutlich. Baumaschinen, bei denen’s nicht auf den Tag ankommt. Zurück dann vier verschiedene Frachten. So wie’s jetzt aussieht jedenfalls. Pflanzen, irgendwelche Metallteile, jede Menge Hemden und zwei Dutzend Teppiche.«
Osotzky nickte und blickte in das entschlossene Gesicht seines Chefs. »Mit welchem Truck?« fragte der Fernfahrer vorsichtig.
»Mit dem Dreier«, erwiderte Kruschke. Osotzky verstand und lächelte: »Dann kann ich noch zwei Tage frei nehmen?«
Sein Chef nickte und war froh, dass dieser Mitarbeiter niemals Zicken machte. Sie waren inzwischen ein eingespieltes Team – er, der erfolgreiche Unternehmer und Osotzky, der Mann für alle Fälle.
»Am Sonntagabend könnte es losgehen«, erklärte Kru-schke, um noch hinzuzufügen: »Diese Sache mit Flemming, dieser Mord, bedarf immer noch größter Vorsicht. Die Bullen schnüffeln im ganzen Umfeld rum.«
Osotzky nickte und schwieg. Sein Chef lehnte sich zurück und drückte unablässig auf den Mechanismus eines Kugelschreibers. »Können Sie sich vorstellen, wer den umgebracht hat?« fragte er und kniff die Augen zusammen.
Sein Gegenüber wusste nicht, was er sagen sollte. »Ich?« stammelte er, »ich? Keine Ahnung. Ich hab’ den Flemming überhaupt nicht gekannt.«
»Ach ... «, staunte Kruschke.
Die Sonne stand an diesem Julimittag hoch am Horizont und durchflutete mit ihren warmen Strahlen auch das Roggental. Martin Seitz, der Wirt und Forellenzüchter in der ›Oberen Roggenmühle‹, genoss es, an solchen Tagen an seinen Fischteichen entlang zugehen und auf das sanfte Plätschern und Rauschen der kleinen Bäche zu lauschen, die in einem komplizierten System das Wasser von einem Becken zum anderen leiteten. Einige Wanderer standen jenseits des Zaunes und besahen sich die Zuchtanlage. Seitz winkte ihnen grüßend zu. In der Luft kreiste ein Fischreiher und Leo, der gutmütige Hund, hatte mal wieder mit seinen Pfoten selbstständig die Hintertür des Mühlengebäudes geöffnet, um bei seinem Herrchen sein zu können.
Ein silberfarbener Mercedes war von der vorbeiführenden Straße abgebogen und über die hölzerne Brücke gerollt, deren Bohlen jedes Mal ein donnerndes Geräusch verursachten. Seitz blickte auf und sah jenseits des Kinderspielplatzes den Wagen auf der großen Freifläche
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