MordLust
keine Antwort von ihm kam, fragte Smith: »Was hat das zu bedeuten? Lucas?«
SECHZEHN
I n dem Haus von Marilyn Coombs herrschte keine so gute Ordnung wie in dem von Mrs. Bucher. Überall lagen Papiere, manche in einem alten Aktenschrank aus Holz, andere waren in der Küche, im Wohnzimmer und im Schlafzimmer in Schubladen gestopft. In einer Plastikkiste fand Lucas alte Scheckbücher, die bis in die siebziger Jahre zurückreichten, doch Steuererklärungen waren nur von den letzten vier Jahren da.
Schließlich rief er seine Ansprechpartnerin beim staatlichen Finanzamt an und bat sie, in Coombs Steuererklärungen nachzusehen, wann sie das viele Geld bekommen hatte.
In fünf Minuten hatte er die Antwort; Computer machten solche Dinge einfacher. »Sie hatte in einem Jahr einen großen Sprung bei ihrem Einkommen, hundertsechsundachtzigtausend Dollar, außerdem, lassen Sie mich mal sehen, insgesamt dreiunddreißigtausend Dollar im Jahr davor und fünfunddreißigtausendneunhundert Dollar im Jahr danach. Wir haben uns nach der Diskrepanz erkundigt, und darauf kam ein Brief von ihrem Steuerberater, der das als einmaligen Gewinn aus dem Verkauf alter Quilts erklärte, die zwei Jahre zuvor gekauft worden waren. Ich habe den Brief nicht vorliegen, nur eine diesbezügliche Notiz. Hilft Ihnen das weiter?«
»Ich ruf Sie später noch mal an und sag es Ihnen«, erwiderte Lucas.
Eine Stunde lang arbeitete er sich mühsam durch die ganzen Verzeichnisse ausgestellter Schecks, hielt ab und zu inne, um mit blicklosen Augen an die Wohnzimmerdecke zu starren
und über den Van nachzudenken. Was zum Teufel war da los? Wo kam der Van her?
Die Scheckbücher waren in keiner besonderen Reihenfolge. Anscheinend hatte sie die neuesten immer in eine Schublade geworfen und, wenn die Schublade voll war, die alten in die Plastikkiste gepackt und in der Schublade einen neuen Haufen angefangen.
Schließlich fand er einen Eintrag über die Einzahlung eines Schecks von 155 000 Dollar. Die Ziffern waren mit dicker Tinte nachgezogen, als ob sie mit einer gewissen Gefühlsregung geschrieben worden wären. Er ging die Scheckverzeichnisse von jeweils sechs Monaten zu beiden Seiten dieses großen Eintrags durch und stieß nur auf zwei ungewöhnlich hohe Beträge: einen Scheck über 167 500 Dollar an die Central States Title Company. Da hatte sie das Haus gekauft.
Wenige Monate später hatte sie die Einzahlung eines Schecks über 27 500 Dollar eingetragen und eine Woche später einen an die U.S. Bank ausgestellten Scheck über 17 320 Dollar. Die 27 500 Dollar hatte sie für ihr altes Haus bekommen, vermutete Lucas. Offenbar hatte sie einen Überbrückungskredit aufgenommen, um die Kosten für das neue Haus decken zu können, und der Scheck an die U. S. Bank war die Rückzahlung.
Er hatte die ganze Zeit auf einem Teppich gesessen, während er die Scheckverzeichnisse durchgegangen war, und nun richtete er sich wieder auf. Es war nicht genug Geld hereingekommen. 470 000 Dollar sollten es eigentlich sein, und sie hatte nur einen Betrag von 155 000 Dollar erhalten. Er schloss ein Auge, dividierte 470 000 durch 155 000 Dollar und kam auf ungefähr drei.
Er nahm sich ein Blatt Papier und rechnete es genau aus. 470 000 Dollar geteilt durch drei waren 156 666 Dollar. Wenn Marilyn Coombs einen Scheck über diesen Betrag erhalten
hatte und sich von den 1666 Dollar ein bisschen was gegönnt hatte, dann hätte sie natürlich 155 000 Dollar einzahlen können.
Aber wo war der Rest? Und was zum Teufel hatte das mit dem Van zu bedeuten?
Er rief noch einmal Archie Carton bei Sotheby’s an, und man sagte ihm, dass Carton nach Hause gegangen sei, die Verwaltungsbüros bereits geschlossen wären und sie auf keinen Fall Cartons Handynummer herausgeben würden. Als Lucas insistierte, wurde ihm gesagt, dass sie Cartons Handynummer gar nicht kennen würden, was sich ziemlich unglaubwürdig anhörte, doch Lucas saß in einem Staat, den New Yorker nur vom Überfliegen kannten, am Ende einer langen Telefonleitung und sprach mit einer Frau, die dafür bezahlt wurde, dass sie Anrufer abwimmelte.
»Danke für Ihre Hilfe«, knurrte er und legte auf. Carton würde bis morgen warten müssen. Er war offensichtlich derjenige, an den man sich wenden musste. Derweil …
Alice Schirmer war Kuratorin für Volkskunst an der Walker Gallery. Sie war groß und viel zu dünn, hatte kurz geschnittene dunkle Haare und eine modische Brille mit schwarzem Gestell, die ihr etwas
Weitere Kostenlose Bücher