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MordLust

Titel: MordLust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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möglicherweise eine ganze Weile nicht sehen. Eine Träne floss ihre Wange hinunter, dann noch eine. Sie wischte sie weg, und Leslie brummte böse: »Spiel nicht die Heulsuse.«
    »Red nicht so mit mir«, sagte sie und wischte sich erneut übers Gesicht. »Ich hab solche Angst. Wir hätten das mit Bucher niemals tun sollen. Wir hätten niemals jemanden hier in St. Paul töten dürfen.«
    »Es wird alles wieder gut«, erwiderte Leslie und tätschelte ihr Bein. »Wir müssen nur alle umbringen, die uns was anhaben könnten.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Es macht mir nur so furchtbare Angst.«
     
    Um neun Uhr fünfzehn waren sie bei Davenports Haus und kurvten ein wenig in der Gegend herum. Es war immer noch zu hell. Sie fuhren zu einem Bagel-Laden am Ford Parkway und kauften für Leslie zwei Bagels mit Frischkäse. Halb zehn. Es waren mehr Leute unterwegs, als sie erwartet hatten. Die Leute nutzten das letzte Tageslicht, um auf dem River Boulevard Fahrrad zu fahren oder den Hund auszuführen. Doch die Vorgärten waren groß, und sie konnten ein gutes Stück die dunklere Seitenstraße hinein parken und immer noch Davenports Haus hinter dem Eckhaus sehen.
    Im ganzen Davenport-Haus brannte Licht. Die Familie war also da.
    »Von hier aus könnte ich ihn vermutlich mit einem Baseball umbringen«, sagte Leslie, als sie schließlich zu der Stelle
gefahren waren, die Jane ausgesucht hatte. Vor dem Bagel-Laden war er auf die Rückbank umgestiegen. Nun nahm er das Gewehr aus dem Kasten und richtete es, mit dem Rücken zur Fahrerseite sitzend, durch das Heckfenster auf Davenports Veranda.
    »Kein Problem«, sagte er, während er durch das Zielfernrohr blickte. Jane steckte sich die gelben Plastikstöpsel in die Ohren. Leslie fummelte einen Augenblick an dem Gewehr herum, dann legte er es wieder an. »Kein Problem. Fünfundvierzig Meter, wenn diese Grundstücke dreißig Meter breit sind, weniger, wenn sie etwas schmaler sind …« Seine Stimme klang gedämpft, war aber dennoch gut zu hören.
    »Gott, ich habe ja solche Angst, Leslie«, sagte sie und zog die Pistole aus ihrer Handtasche. Sie blickte die Straße auf und ab; niemand zu sehen. »Ich weiß nicht, ob ich es kann.«
    »Hey«, sagte Leslie. »Spiel nicht die Heulsuse.«
    Sie hob die Waffe an seine Schläfe und drückte ab. Es gab eine kleine Stichflamme, nicht so hell wie der Blitz einer Kamera, und einen fürchterlichen Knall.
    Sie schauderte, ließ die Waffe fallen, presste die Hände gegen die Ohren und blickte mit weit aufgerissenen Augen durch das Heckfenster nach draußen. Der Schuss hatte sich angehört, als wäre das Ende der Welt gekommen, doch dreißig Meter von ihr entfernt schien die Welt einfach weiterzugehen. Ein Auto fuhr vorbei, und zehn Sekunden später ein Mann auf einem Fahrrad, der einen Labrador an der Leine führte.
    Leslie lag mit dem Rücken auf dem Sitz und sah in dem trüben Licht furchtbar tot aus. »Verdammte Waffe«, murmelte Jane inmitten des Gestanks nach Schießpulver und Blut. Sie musste sich auf den Sitz knien und darübergreifen, um die Pistole vom Boden aufzuheben. Sie wischte sie mit einem Stück Küchenpapier ab, dann drückte sie sie Leslie in eine schlaffe Hand und rollte sie hin und her, damit wenigstens ein Fingerabdruck auf die Waffe kam.

    Leslie schloss sein Handy immer am Zigarettenanzünder des Wagens an. Sie nahm es und rief Amity Anderson an. Als Amity abnahm, sagte sie: »Kannst du jetzt kommen?«
    »Sofort?« Die Nervosität war Anderson deutlich anzuhören.
    »Das wäre gut.«
    »Hast du …«
    »Das hier ist wie ein Radio«, sagte Widdler. »Red nicht, komm einfach.«
     
    Sie sah sich um, ob sie jemand beobachtete, dann stieg sie aus dem Auto, warf die Tür zu und schloss sie mit dem zweiten Funkschlüssel ab. Das war eine nette Zugabe, dachte sie. Von innen abgeschlossen, und der Schlüssel immer noch in Leslies Tasche. Diesen Schlüssel, das Ersatzexemplar, würde sie wieder in die Schlüsselschublade legen, wo die Ermittler ihn dann finden würden.
    Sie ging hinaus in die Dunkelheit. Bestimmt hatte sie nicht alles bedacht, aber sie war überzeugt, dass sie genug bedacht hatte. Sie wollte nur ein simples »Nicht schuldig«. War das denn zu viel verlangt?
     
    Amity entdeckte sie an der Ecke.
    Jane war gar nicht so sehr aufgewühlt. Leslies Uhr war ohnehin so gut wie abgelaufen. Sein tatsächliches Dahinscheiden war nur noch eine Frage des Wann gewesen. Und obwohl sie einigermaßen ruhig war, musste sie doch

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