MordLust
bereits feucht vom Tau, erkannte
ihn einer der St.-Paul-Cops. »Wo kommen Sie denn her?«, fragte der Cop.
»Ich wohne hier«, sagte Lucas. »Was ist passiert?«
»Ein Typ hat sich erschossen«, antwortete der Cop. »Aber er führte irgendwas im Schilde. Sie wohnen direkt hier?«
Doch Lucas blickte bereits durch das Heckfensters des Wagens, von dem er mittlerweile wusste, dass es ein Lexus war, ein Lexus mit einem Einschussloch im Dach gleich oberhalb des Heckfensters, und sah in das fette, tote Gesicht von Leslie Widdler.
»O nein«, sagte er. »O Gott.«
»Was? Sie kennen ihn?«, fragte der Cop.
DREIUNDZWANZIG
R ose Marie Roux kam durch die Haustür gestürmt – hohe Absätze, Nylonstrümpfe, ein die politische Gesinnung signalisierender roter Rock mit Blazer, weiße Bluse, voluminöse Haare. Sowie sie Lucas sah, fragte sie unvermittelt: »Alles in Ordnung?«
Lucas aß gerade einen Apfel. Er schluckte und sagte: »Mir geht’s gut. Mein Fall hat sich zwar in Luft aufgelöst, aber ich fühle mich verdammt großartig.«
»Was ist das für eine Geschichte über einen Mann mit einem Gewehr?«, sagte Rose Marie. »Man hat mir erzählt, Ihnen hätte ein Kerl mit einem Gewehr aufgelauert.«
»Muss es sich anders überlegt haben«, erwiderte Lucas. »Kommen Sie mit. Es ist noch alles da. Haben Sie die Cops gesehen, als Sie gekommen sind?«
»Klar. Eine ganze Versammlung. Dann erzählen Sie mal.«
Kurz nach Tagesanbruch war ein Mann zu seiner üblichen Laufrunde aufgebrochen. Er war Marathonläufer und lief von zu Hause zunächst mit einigen Schlenkern die Minneapolis-Seite des Mississippi entlang, dann über die Ford Bridge nach St. Paul, machte dort einige weitere Schlenker – er versuchte nämlich auf exakt sechs Meilen zu kommen – und lief dann Richtung Norden bis zur Lake Street Bridge, wo er den Fluss wieder nach Minneapolis überquerte.
Einer seiner Schlenker führte ihn um die Ecke bei Lucas’ Haus. Als er sich im frühen Morgenlicht dem Lexus näherte, fiel ihm an der Heckscheibe ein Fleck auf, der merkwürdigerweise
wie Blut in einem Thrillerfilm aussah. Und als er an dem Wagen vorbeilief, warf er einen Blick auf den Rücksitz und sah das bleiche Gesicht und den aufgerissenen Mund eines dicken Toten, der ein Gewehr auf seinem Bauch liegen hatte.
»Mich hat fast der Schlag getroffen, als ich da reingeschaut hab«, gab Lucas zu. »Leslie Widdler, das war so ungefähr das Letzte, was ich erwartet hätte.«
»Besser er als Sie«, sagte Rose Marie. »Was war das für ein Gewehr? Wenn er nun damit auf Sie geschossen hätte?«
»Ein.300 Mag«, erwiderte Lucas. »Gut für Elche und Rentiere. Wenn er mit dem Ding auf mich geschossen hätte, hätte mein Hintern mit dem Zug aus Ohio zurückkommen müssen.«
»Nett, dass Sie darüber Witze machen können«, sagte Rose Marie.
»Ich lache ja nicht«, entgegnete Lucas. Sie gingen auf einen Cop zu, der das gelbe Absperrband bewachte. Lucas deutete auf Rose Marie und sagte: »Rose Marie Roux, Abteilung für Öffentliche Sicherheit.«
Der Cop hob das Absperrband an und fragte sie: »Haben Sie nicht einen Job für mich?«
Sie tätschelte ihm kurz die Wange. »Sie sind bestimmt ein viel zu netter Junge, um für mich zu arbeiten.«
»Hey, das bin ich nicht«, rief der Cop hinter ihr her. »Ich bin ein böser Junge, echt.« Und an Lucas gewandt, als sich dieser gerade unter dem Band hindurchduckte: »Ehrlich, ich bin ein richtiges Arschloch.«
»Ich werd’s ihr sagen«, erwiderte Lucas.
Rose Marie war für kurze Zeit Streifenpolizistin gewesen, bevor sie in die Verwaltung wechselte, Jura studierte, Politik machte und Macht bekam. Sie näherte sich dem Wagen genau so, wie der Cop von der Spurensicherung sie gebeten hatte, warf einen Blick durch das Fenster, betrachtete Widdler,
ging wieder zurück und sagte: »Das hat ja eine schöne Sauerei hinterlassen.«
»Allerdings.«
»Er hat also Mrs. Bucher getötet? Sind Sie sicher?«, fragte Rose Marie.
»Er zusammen mit seiner Frau, glaube ich. Ich weiß allerdings noch nicht, was hier dahintersteckt, außer … Hat man Sie über die versuchte Entführung von Jesse Barth und über die Brandbombe informiert?«
Sie nickte. »Und über den Köter Screw.«
»Die Screw-Geschichte und die Brandbombe könnten ein Versuch gewesen sein, mich irgendwie abzulenken«, sagte Lucas. »Damit ich anderweitig beschäftigt bin, während die Bucher-Sache langsam, aber sicher in Vergessenheit gerät. Hätte vielleicht
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