MordLust
den Finger. »Na schön, dann red mit ihnen, aber wenn sie versuchen, dir irgendwas anzuhängen, dann rufst du ganz laut nach mir, und wir lassen einen Anwalt kommen.« Zu John Smith: »Ich verstehe immer noch nicht, warum ich nicht mit reinkommen kann. Er ist doch noch minderjährig.«
»Weil wir mit Ronnie reden müssen – nicht mit Ihnen beiden. Wir müssen zwar auch mit Ihnen reden, aber getrennt.«
»Aber ich hab doch nichts …«, protestierte sie.
»Wir glauben auch nicht, dass Sie was getan haben, Mrs. Lash, aber wir müssen mit jedem reden«, sagte Smith. Seine Stimme hatte ihre Härte verloren, jetzt, da er wusste, dass er Ronnie ausquetschen konnte, ohne dass ihm ein Anwalt dazwischenquatschte.
Lucas lehnte sich gegen die Wand im Flur und lauschte dem Wortwechsel zwischen Mutter und Sohn. Die Lashes beschlossen schließlich, dass Ronnie mit den Cops reden sollte, doch wenn sie versuchten, ihm irgendwas anzuhängen …
»Dann ruf ich dich, Ma.«
Mittlerweile war Lucas zu 83 Prozent überzeugt, dass Ronnie Lash niemanden umgebracht und auch keine Beihilfe zu dem Mord geleistet hatte.
Sie ließen Mrs. Lash auf einem Sofa im Musikzimmer Platz nehmen und brachten Ronnie in den Salon. John Smith, ein dicker Detective namens Sy Schuber und Lucas gingen mit hinein und schlossen die Tür. Sie setzten Ronnie auf eine Couch und verteilten sich im Raum, zogen Stühle heran, und Smith eröffnete das Gespräch, indem er kurz zusammenfasste, was
geschehen war. »Deshalb müssen wir dich fragen, wo du an diesem Wochenende warst«, sagte er dann. »Von Freitagnachmittag halb fünf an.«
»Ich bin am Freitag direkt nach der Schule mit ein paar Freunden mit dem Bus nach Minneapolis gefahren«, sagte Lash. »Wir wollten zu BenBo’s auf der Hennepin Avenue. Die hatten einen Abend für Jugendliche unter einundzwanzig.«
BenBo’s war ein Hip-Hop-Laden. Ronnie und seine vier Schulfreunde hatten die nächsten fünf Stunden getanzt und mit einer Gruppe von Mädchen geplaudert, die separat gekommen waren. Also waren den größten Teil des Abends neun Leute mit Ronnie zusammen gewesen. Er nannte ihre Namen, und Schuber schrieb sie auf. Um zehn Uhr hatte die Mutter von einem der Jungen die fünf mit ihrem Kombiwagen abgeholt und zurück nach St. Paul gebracht.
»Was war das für ein Auto?«, fragte Lucas. »Ein Cadillac SUV – ich weiß nicht genau, wie die heißen«, sagte Lash. »Der war schon ein paar Jahre alt.«
In St. Paul war Ronnie als Dritter abgesetzt worden, deshalb nahm er an, dass er kurz vor elf zu Hause gewesen sein musste. Seine Mutter war noch auf. Sie hatte im Cub Supermarket ein gegrilltes Hähnchen gekauft, und sie hatten in der Küche Sandwiches gegessen, geredet und waren dann ins Bett gegangen.
Am Wochenende arbeitete Ronnie immer an einer Essenausgabe für Bedürftige, die seine Kirche organisierte. Es war keine katholische Kirche, auch wenn er auf eine katholische Schule ging. Er fing morgens um acht an und arbeitete bis drei Uhr nachmittags.
»Man kriegt zwar kein Geld dafür, aber es gibt Pluspunkte fürs College«, sagte er. »Außerdem ist es gut für die Seele.«
»Wenn du so religiös bist, wieso warst du dann einen ganzen Abend in so einem Hip-Hop-Club?«, fragte Schuber.
»Jesus hatte nichts gegen ein bisschen Spaß«, erwiderte
Ronnie. »Er hat Wasser in Wein verwandelt und nicht umgekehrt.«
»Stimmt.« Smith rieb sich mit den Fingerspitzen die Augen. »Ronnie, einen Block von dir entfernt wohnt ein Typ namens Weldon Godfrey. Kennst du Weldon?«
»Ich weiß, wer er ist«, erwiderte Ronnie nickend. Er sagte es so unaufgeregt, dass Lucas wusste, dass er mit der Frage gerechnet hatte.
»Hängst du mit ihm rum?«, fragte Smith.
»Nein. Jedenfalls nicht, seit ich auf die katholische Schule gehe«, sagte Lash. »Ich hab ihn etwas besser gekannt, als ich noch auf die staatliche Schule ging, aber da war er zwei Klassen über mir, deshalb haben wir auch nicht zusammen rumgehangen.«
»Er hat’ne Menge Probleme gehabt«, sagte Schuber.
»Er ist ein Penner«, sagte Ronnie, und Lucas musste gegen seinen Willen lachen. Der Junge hörte sich an wie ein Golfer mittleren Alters.
Smith ließ nicht locker. »Also hängst du nicht mit Weldon oder irgendwelchen Freuden von ihm rum?«
»Nein. Meine Ma würde mich umbringen, wenn ich das täte«, sagte Ronnie. Er schlang seine knochigen Finger immer wieder umeinander und beugte sich vor. »Als ich gehört hab, dass Tante Sugar ermordet
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