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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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mich besonders anziehender Punkt war das große Wasserreservoir der Stadt. Stundenlang konnte ich dem geheimnisvollen Rauschen hinter den dicken Mauern lauschen und konnte trotz der Erklärung durch die Erwachsenen keine Zusammenhänge finden …
    Besonders die Pferde hatten es mir angetan. Ich konnte garnicht genug tun an Streicheln, Erzählen und Leckerbissen anbieten …
    Ich war und wurde Einzelgänger, am liebsten spielte oder beschäftigte ich mich allein und unbeobachtet. Ich mochte es nicht gerne haben, wenn mir jemand zusah. Auch hatte ich einen unwiderstehlichen Hang zum Wasser, ich musste immerzu waschen und baden …
    In mein siebentes Lebensjahr fiel unsere Umsiedlung in die Nähe von Mannheim. Wir wohnten wiederum außerhalb der Stadt. Aber zu meinem größten Leidwesen gab es keine Ställe, keine Viecher … Zum siebten Geburtstag bekam ich meinen Hans, ein kohlschwarzes Pony mit blitzenden Augen und langer Mähne … Da Hans sehr zutraulich war, folgte er mir nach, wo es irgend ging, wie ein Hund. Wenn meine Eltern mal abwesend waren, nahm ich ihn sogar mit auf mein Zimmer. Da ich mit unserem Dienstpersonal stets auf gutem Fuße lebte, sahen sie mir meine Schwäche nach und verrieten mich nie.«
    Und so geht es immer weiter im Leben des späteren Chefs einer Menschenvernichtungsanstalt. Höß war von Anfang an ein treuer Diener seiner Organisation. Er stellte das System erst zu Ende des Krieges infrage und traf, soweit wir es wissen, nie Einzelfallentscheidungen. Er fügte sich in eine Befehlsmaschinerie und war, von oben gesehen, ein guter, ordentlicher Beamter, der oft sogar mehr für seine Dienstherren tat, als verlangt wurde. Später antwortete Höß mit unbegreiflicher Stumpfheit auf die Frage, ob er den Leiter der SS nicht einfach hätte umbringen und damit das Grauen der Konzentrationslager beenden können, dass so etwas einem SS-Mann niemals in den Sinn gekommen wäre.
    Sogar mit der Inschrift »Arbeit macht frei« am Eingangstor zum Stammlager Auschwitz meinte Höß es aufrichtig gut. Als er vor seiner Karriere selbst im Gefängnis saß, war er zu der Auffassung gelangt, dass man sich durch irgendeine regelmäßige Beschäftigung aufrecht halten sollte. Das ewige Herumsitzenund Nichtstun hielt er für zu zermürbend. Also bestellte er das zynische Motto für das Tor seines Lagers. »Ich habe dann im Konzentrationslager mit vielen Häftlingen besonders in Dachau über die Arbeit gesprochen«, schrieb er 1947. »Alle waren davon überzeugt, dass das Leben hinter Gittern, hinter Draht, auf die Dauer ohne Arbeit unerträglich, ja die schlimmste Bestrafung sei.«

5. KAPITEL:
ZEUGEN, RUMMEL UND STILLE
    Es ist verblüffend, dass einige Kriminalfälle des 20. Jahrhunderts heutigen Menschen noch so gegenwärtig sind, als hätten sie sich erst vor kurzem zugetragen. Dazu zählen die Morde von Fritz Haarmann in Hannover, dessen Gespräche mit einem Psychiater im Jahr 1995 sogar verfilmt wurden. In den wirtschaftlich schweren Zwanzigerjahren lebte er mit seinem homosexuellen Freund in einer winzigen Mietwohnung. Dort tötete der ansonsten weichliche Haarmann herumstreunende Jungen, die er meist am Bahnhof auflas. Er verkaufte danach nicht nur deren Kleidung an seine Nachbarn, sondern wohl auch deren Fleisch. Noch heute kennen viele Deutsche das Lied vom Haarmann’schen »Hackebeilchen«.
    Andere Verbrechen, die zu ihrer Zeit für mindestens ebenso viel Aufsehen sorgten wie die Taten Haarmanns, sind mittlerweile vergessen. Dazu zählen, trotz mehrerer Bücher über sein Leben, die Taten von Peter Kürten, dem »Vampir von Düsseldorf«, sowie des Räubers Kneißl, der höchstens noch in Bayern bekannt ist.
    Aus heutiger Sicht können wir recht klar erkennen, welche Elemente ein Kriminalfall enthalten muss, damit er auch spätere Generationen noch beschäftigt: Gefühle, Beziehungswirren und am besten noch eine Portion Sex wie im Fall Geyer. Wenn der Fall dann noch mit Zeitgeist, Moral und dem Anstand kollidiert, ist die Sensation perfekt. Wichtig ist auch eine in den Medien ausgebreitete Gerichtsverhandlung. Denn nur während einer Verhandlung kann die Öffentlichkeit mehr oder weniger vollen Einblick in die Akten erhalten. Ein Gegenbeispiel ist der Fall Denke (S. 302ff.), der mit Sicherheit zu den gruseligsten der deutschen Kriminalgeschichte gehört. Beiihm fehlte sowohl Sex als auch eine Gerichtsverhandlung, und vielleicht haben die meisten Menschen deshalb noch nichts von dem kannibalistischen

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