MORDMETHODEN
beweisen will, dass dieser Handschuh unmöglich ihm gehören könne, da er ihm scheinbar nicht passt. Da der Angeklagte sich den Handschuh selbst anziehen darf, wäre es ein Kinderspiel gewesen, diesen zu eng erscheinen zu lassen – beispielsweise durch das Ausstrecken von Daumen und kleinem Finger, wie der Prozessreporter Jeff Toobin vom New Yorker vermutete. Doch das war nicht nötig. Das Leder war durch die Feuchtigkeit ohnehin hart und geschrumpft. Simpsons Gesichtsausdruck zeigt auf dem betreffenden Foto eine Mischung aus Verwunderung, Schmunzeln, keimender Hoffnung und Verlegenheit.
Elf Materialproben vom Handschuh rückten das kleine Schauspiel aber ins richtige Licht. Das Blut am Beweisstück stammte mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 41 Milliarden von Ron Goldman. Wiederum wies kein anderer Mensch auf der Erde die gleiche Zusammenstellung von Erbmerkmalen auf.
Eine blutige Fußspur setzte dem Ganzen die nichtmolekulare Krone auf. Denn Simpson besaß ein Paar Schuhe von Bruno Magli, das nicht nur sehr teuer war, sondern deren Abdrücke auch mit denen am Tatort deckungsgleich waren. Darüber hinaus wiesen sie die in den USA seltene Schuhgröße 12 auf (entspricht der deutschen Größe 45). Zusammen mit der bekannten Eifersucht Simpsons, einer als Flucht oder wahlweise zielloses Umherirren gedeuteten, langen Autofahrt vor seiner Festnahme und mit den bereits polizeilich gemeldeten Gewalttätigkeiten gegen seine Exfrau war der Fall so wasserdicht, wie er beim zweiten Prozess auch verhandelt wurde. Doch leider entspann sich im ersten Prozess eine Show, in deren Gestrüpp die Wahrheit eine Zeit lang hängen blieb. Daran waren nicht nur die Anwälte, sondern auch die Polizei sowie einige zu schnelle und einige zu langsame Experten schuld.
Die Sachverständigen
Ernste Bedenken gegen genetische Fingerabdrücke als kriminaltechnische Methode ließen sich zum Zeitpunkt des Simpson-Prozesses nicht mehr anbringen. Das war ein sehr großes Problem für die Verteidigung, denn die Anklage wollte das Verfahren möglichst einfach gestalten. Dazu sollten neben den genetischen Fingerabdrücken nur noch wenige andere Beweise in den Prozess eingebracht werden.
Selbst Eric Lander aus Cambridge, der Ende der Achtzigerjahre durch ein Gutachten gegen einen überhastet ausgewerteten Blutspurenfall einen Streit um die Wahrscheinlichkeitsrechnung der DNA-Typisierung mit ausgelöst hatte, war sich mit dem Leiter des DNA-Labors des FBI, Bruce Budowle, einig: »Der Krieg um genetische Fingerabdrücke ist vorbei.«
Ein blutiger Schuhabdruck
Im Fall O. J. Simpson führte eine blutige Schuhsohlenspur vom Leichenfundort Richtung Straße. Diese Spur hatte eine spannende Geschichte.
Links von ihr verlief eine Reihe von Blutstropfen, die O. J.s genetischen Fingerabdruck aufwiesen. Da sich O. J. an der linken Hand verletzt hatte, war das schon ein starker Hinweis darauf, dass er die Schuhspuren verursacht hatte. Wenn er aber die Schuhspuren gelegt hatte, dann musste er durch das Blut der toten Personen gegangen sein. Genau das bestritt er aber.
Um jeder möglichen Verwirrtaktik der Verteidigung zuvorzukommen, wurde William Bodziak, FBI-Experte für Sohlenabdrücke, hinzugezogen. Er vermaß die blutige Spur und stellte anhand von 18 Merkmalen fest, dass die Sohle der Schuhe – »Modell Lorenzo«, Größe 12 – von der italienischen Firma Bruno Magli stammte. Um ganz sicherzugehen, flog Bodziak im Februar 1995 nach Italien, um sich vor Ort beim Hersteller in Bologna auch andere Schuhmodelle anzusehen. Dabei bestätigte sich, dass am Tatort wirklich Spuren von Lorenzo-Schuhen mit einer Sohle der Firma Silga vom Typ U-2887 vorlagen. Die Sohle des Modells bei Bruno Magli entsprach genau der, die in der Schuhspur am Fundort in Los Angeles zu erkennen war.
Lorenzo-Schuhe waren mit einem Preis von etwas unter 200 Euro pro Paar für Simpson zwar erschwinglich, jedoch nicht für Durchschnittsamerikaner. Deshalb gab es auch nur 40 Geschäfte in den gesamten USA (einschließlich Puerto Rico), die das italienische Nobelmodell verkauften. Und nicht nur das. Zwischen 1991 und 1993 waren nur 299 Paar des Modells Lorenzo über die Ladentische gegangen.
Obwohl Simpson abstritt, sich jemals so »potthässliche« (uglyass) Schuhe gekauft zu haben, tauchten immer mehr Fotos auf, die ihn in verschiedenen Modellen von Bruno Magli zeigten.
Ein ähnlicher Schuhabdruck wie auf dem Weg fand sich auf der Rückenseite von Nicole Browns Leiche. Dadurch
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