MORDMETHODEN
erklärte sich für die Anklage, wie die Frau gestorben war: Der Täter hatte sich mit einem Bein auf den Rücken des Opfers gestellt, es an den Haaren hochgezogen und dann mit einem Messer den sehr tiefen Halsschnitt vorgenommen, der sogar auf den Fotos der hart gesottenen Boulevardblättern mit einem schwarzen Balken versehen wurde.
Die Auseinandersetzungen hatten sogar zu vielen Verbesserungen geführt. Seitdem garantierten in den USA regelmäßige Laborüberprüfungen und computergestützte Verfahren, beidenen jeder Schritt der Auswertung dokumentiert wird, dass mögliche Fehler sofort registriert werden.
Leider war aber im November 1993 der Fall des betrügerischen Gutachters Fred Zain hochgekocht, der seine Testergebnisse aus Blutgruppenlabors in West Virginia und Texas frei erfunden hatte. Seine Annahme war, dass ein Mensch, der unter Verdacht steht, mit einiger Wahrscheinlichkeit auch der Täter sein muss. Deshalb erfand er Gutachten, in denen die Untersuchten stets belastet wurden.
Zains Kollegen hatten schon 1985 beobachtet, dass er Ergebnisse von einer leeren Testplatte »ablas«. Diese äußerst plumpe Fälschungsmethode konnte keinen langfristigen Erfolg haben, denn jedes wissenschaftliche Ergebnis muss später wiederholbar sein. So kam 1987 in einem Prozess durch eine angeforderte Nachprüfung der von Zain erfundenen Testergebnisse heraus, dass er ein Hochstapler war. Schnell konnte alles widerlegt werden, was er als Gutachter jahrelang zu Papier gebracht hatte.
Zum Entsetzen der US-Amerikaner mussten nun 134 Verfahren neu aufgerollt werden, in denen Zain Gutachter gewesen war. So war durch Zains gefälschte Tests in Huntington, West Virginia, ein Mann wegen eines bewaffneten Raubs und sexueller Nötigung zu »203 bis 335 Jahren Gefängnis« verurteilt worden. Nach vier Jahren Haft und erfolgreicher Widerlegung des Zain’schen Tests wurde er entlassen. Todesstrafen hatte der lügende Experte zum Glück nicht auf dem Gewissen. Bei einer derart schweren Strafe lassen Gerichte in den USA offenbar mehr Vorsicht walten, denn ein Blutgruppen- oder DNA-Gutachten kann bei drohender Todesstrafe niemals als einziger Beweis zur Verurteilung führen. (In Deutschland gilt diese Regel per Entscheid des Bundesgerichtshofes bei allen Strafverfahren. Niemand kann hierzulande ohne eine schlüssige, mehr gliedrige Beweis- bzw. Indizienkette verurteilt werden.)
Das Zain’sche Debakel wäre eigentlich geeignet gewesen, auch die Gutachter im Simpson-Prozess in die Enge zu treiben.Doch schon im Vorfeld zeichnete sich ab, dass die Verteidiger Simpsons aus dieser Geschichte kein Kapital schlagen konnten. Die Blutspuren waren nicht von windigen Gesellen wie Fred Zain, sondern gerade von jenen Labors untersucht worden, die schon immer auf Kontrolle und Überprüfung aller Ergebnisse, auch der eigenen, gedrängt hatten. Hier kam man strategisch also nicht weiter.
Stattdessen nutzte Simpsons Verteidigung eine ganz andere Schwäche der Gutachter. Zwar hatten diese vor Gericht in klar verständlichen Worten und mit bunten Übersichtsbildern ihre Befunde erklärt. Doch durch endloses Nachfragen drängten die Verteidiger die Experten so sehr ins Detail, dass keiner der Juroren mehr folgen konnte und wollte. Nach stundenlanger Befragung der Gutachter schwirrte den wissenschaftlich nicht vorgebildeten Jurymitgliedern so der Kopf, dass die meisten schlicht abschalteten. *
Was kein Richter in Zentraleuropa erlauben würde, war der Verteidigung in den USA also problemlos gelungen: ein Schabernack erster Güte, der die bombensicheren DNA-Beweise ins Nirwana von zu Tode gelangweilten Jurygehirnen schickte.
* Der Autor hat im Criminal Court von Manhattan schon mehrfach solch überforderte, während der Verhandlung fest schlafende Jurymitglieder angetroffen.
Jury gegen Staatsanwältin
Wie war die so oft erwähnte Jury im Fall Simpson zusammengesetzt? Und was hat das mit dem Ergebnis der ersten Verhandlung zu tun? Werfen wir einen Blick darauf, wie eine Jury in den stets ergebnis- und leistungsorientierten USA zusammengestellt wird.
Das erste und offensichtlichste Problem ist, dass die meisten US-AmerikanerInnen nicht in eine Jury aufgenommen werden wollen. Denn der Jurydienst ist meist langweilig und
* Der Autor hat im Criminal Court von Manhattan schon mehrfach solch
überforderte, während der Verhandlung fest schlafende Jurymitglieder
angetroffen.kann bei Strafverfahren wie dem gegen O. J. Simpson bedeuten, dass man nicht
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