MORDMETHODEN
Eleganz einem Krimi von Agatha Christie oder Georges Simenon in nichts nachsteht.
Beton für den Bierbrauer: der Fall Heineken
Dass Sachbeweise gerade bei Entführungen und Erpressungen oft nicht weiterhelfen, liegt unter anderem daran, dass es dabei gelegentlich keine kriminaltechnisch untersuchbaren Spuren gibt. Hier ist polizeiliches Gespür gefragt, das den Ermittlern oft unbestimmt anzeigt, ob ein Fall in die richtige Richtung geht.
Als der Bierfabrikant Alfred Heineken 1983 gemeinsam mit seinem Fahrer Ab Doderer entführt wurde, ging es nicht nur um ein gewaltiges Lösegeld von umgerechnet 15 Millionen Euro, sondern vor allem um das Leben der Entführten.
Die Polizei erhielt im Lauf weniger Tage gut 750 Hinweise. Eine der Meldungen aus der Bevölkerung wies auf ein chinesisches Restaurant hin, in dem Tag für Tag zwei Essen bestellt und abgeholt würden. Der Abholer benehme sich dabei – Originalton – »auffallend vorsichtig«. Ein Hinweis, wie er verschwommener kaum sein könnte. Doch als die Amsterdamer Polizei dem vorsichtigen Essenabholer folgte, gab es eine Überraschung: Der Mann brachte die Mahlzeiten zu einem alten Wellblechschuppen auf dem ehemaligen Industriegelände am Amsterdamer Westhafen. Der Schuppen lag hinter einer Mauer und gehörte laut Aufschrift einer Möbelschreinerei. Zwei Reisgerichte für einen Mann? Tagtäglich verspeist in einer alten Wellblechhütte? War das eine Marotte oder der Schlüssel zur Lösung des Falls?
Nachdem der Mann gegangen war, schaute sich ein Kommando aus zehn Polizisten die Hütte näher an. Der Schuppen war allem Anschein nach unverdächtig. Er wirkte unbenutzt, und die Vorderseite war mit einer Platte abgedeckt – vielleicht, um den Eingang der unbenutzten Stätte gegen Einbruch zu sichern. Die Polizisten riefen und klopften an die Wand, doch aus dem Inneren hörten sie nichts. Der Einsatz wurde daraufhin abgeblasen. Über Funk meldete das Team, der Einsatz sei »ergebnislos verlaufen und beendet«.
Nur Polizeiinspektor Geert van Beek kam der Schuppen immer noch komisch vor. Vor der Abfahrt klopfte er deswegen noch einmal die Kopfseite der Hütte ab. Er staunte, als ihm das Klopfen einen Hohlraum anzeigte. Die Hartfaserplatte auf dieser Seite des Schuppens war also keineswegs vor die Tür genagelt, sondern grenzte einen kleinen Vorraum ab. Warum, fragte er sich, würde jemand einen Schuppeneingang so auffallend verstecken oder verkleiden wollen?
Die Antwort fand sich in Form zweier Betonwaben im Inneren der Hütte. In jeweils einer dieser Boxen saßen Herr Heineken und sein Fahrer. Die beiden konnten noch nicht einmal miteinander sprechen, denn ihre Zellen waren schalldicht. Deshalb hatten die Polizisten auch keine Geräusche aus dem Inneren gehört. Umgekehrt bemerkten die Eingesperrten das Kommen der Polizei nicht.
Da es Winter war, äußerten die Entführten nur zwei Wünsche: von den Ketten an den Betonwänden gelöst und aufgewärmt zu werden. Die Entführer konnten kurz danach ohne weiteres gestellt werden. Wo das bereits kassierte Lösegeld steckte, hatten sie aber angeblich vergessen.
Nach der Befreiung Heinekens fanden Spaziergänger in der Nähe von Zeist, knapp 50 Kilometer von Amsterdam entfernt, Dutzende Hundert-Dollar-Scheine. Anstatt das Geld zu behalten, gingen die ehrlichen Finder zur Polizei. Als man die Fundstelle umgrub, kamen umgerechnet über acht Millionen Euro ans Tageslicht. Mehr als die Hälfte des Lösegeldes konnte den Eigentümern zurückgegeben werden. Der Fall hatte so dank Intuition und Glück ein gutes Ende genommen.
Kommissar Zufall gegen fünf Dutzend Augenzeugen: der Fall Manuela Schneider
Nicht immer sind es Kleinigkeiten, die Erpresser übersehen. Es stimmt auch nicht, dass Entführer ein cleverer Menschenschlagsind. Denn Geld- und Machtgier herrschen gleichermaßen unter schlauen wie dummen Menschen.
Falls die Täter zur pfiffigen Sorte gehören und keine Menschen gefangen halten, können sie manchmal sogar die Sympathien der Fernsehzuschauer gewinnen. Je mehr Tricks ein Erpresser aber verwendet, desto mehr verrät er auch über seinen Charakter. Das kann den Ermittlern dabei helfen, eine wirkungsvolle Verhandlungsstrategie zu entwickeln und damit den Fall schneller zu lösen. Wirklich perfekte Erpressungen gibt es deshalb fast nicht. Denn je cleverer ein Täter, umso stärker ist sein verräterischer Spieltrieb.
Es gibt aber auch genügend sehr dumme Täter. Sie machen bei der Tatausführung fast alles
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