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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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falsch, hinterlassen dabei aber schlimmstenfalls kaum kriminalistisch brauchbare Spuren. Der Grund: Es ist praktisch unmöglich, sich in einen verworren handelnden und denkenden Täter hineinzuversetzen oder gar seine nächsten Schritte vorherzusagen. Der folgende Fall aus dem Ruhrgebiet zeigt das. Er wurde unter anderem von den Kriminalräten Helmut Wälter und Norbert Westphal vom Polizeipräsidium Essen bearbeitet.
    Der Fall begann auf dem Schulweg der zwölfjährigen Manuela Schneider. Gewöhnlich ging sie zusammen mit ihrer älteren Schwester gegen sieben Uhr morgens zur Bushaltestelle. Die Schwester hatte aber gerade ein Schulpraktikum angetreten, und so machte sich Manuela am 5. Mai 1994, einem Donnerstag, allein auf den etwa zehnminütigen Weg. Die Haltestelle lag an einer viel befahrenen, etwas außerhalb liegenden Straße. Von dort fuhr das Kind bis in die Nähe der Schule, wo sie sich vor Schulbeginn stets mit einer Freundin in einem Blumenladen traf. Den Blumenladen betrat Manuela an diesem Tag jedoch nicht, und auch am Unterricht nahm sie nicht teil.
    Manuelas Mutter fiel ihr Verschwinden als Erster auf, weil sie sich gleich nach der Schule mit ihrer Tochter hatte treffen wollen. Als diese nicht kam, rief die Mutter verwundert ihrenMann an, der seinerseits bei Manuelas Klassenlehrer nachfragte. Doch niemand hatte sie gesehen. Das Kind war unauffindbar.
    Es war noch vor den vielen Kindstötungen, die Ende der Neunzigerjahre Deutschland aufwühlten. Zwar hatte der belgische Kinderschänder Marc Dutroux bei vielen Eltern bereits erhöhte Vorsicht ausgelöst, aber Hysterie, wie sie heute beim Verschwinden eines Mädchens in Minutenschnelle aufkommt, entwickelte sich damals noch nicht in bundesweitem Ausmaß.
    Erst als Manuelas ältere Schwester am späten Nachmittag einen Telefonanruf entgegennimmt, in dem ein Mann verkündet, er habe das Mädchen in seiner Gewalt und wünsche »keine Polizei«, geht der Alarm los. Sofort meldet sich Manuelas Vater bei der Polizei. Als alle Versuche, das Mädchen aufzuspüren, fehlschlagen, wird noch in der gleichen Nacht eine Einsatzgruppe gebildet.
    Um der Forderung des Entführers scheinbar zu folgen, arbeitet das Team zunächst verdeckt. Noch in der Nacht läuft die Befragung aller Personen an, die das Kind kennen. Das Telefon der Eltern wird abgehört, die Presse hält still. Bis zum Abend des kommenden Tages gibt es zwar keine Spur und keine weiteren Anrufe, doch die Polizisten wissen nun mehr über das verschwundene Mädchen. Es ist ein schüchternes und in sich gekehrtes Kind. Im kleinen sauerländischen Ort, in dem es bis zum zehnten Lebensjahr bei seinen Eltern aufwuchs, war die Welt weitgehend in Ordnung. Dann zogen sie nach Essen auf das Anwesen einer wohlhabenden Familie, wo der Vater als Hausmeister arbeitete. In der noblen und ungewohnten Umgebung findet das Mädchen keine Freunde. In der Schule wird »die Neue« von Anfang an mit allen nur erdenklichen Mitteln kindlicher Bosheit ausgegrenzt.
    Sollte sich Manuela in einer nahe dem Wohnhaus befindlichen Ruine versteckt haben, von der sie ihrer einzigen Freundin schon einmal erzählt hatte? Doch in dem Gemäuer finden sich nur Staub und Spinnen.
    Nun taucht ein Schulaufsatz des Kindes auf, in dem die Schüler den Entführungsfall eines fiktiven Jungen beschreiben sollten. Manuela erzählte darin die Geschichte eines Mädchens, das sich in einem Heuhaufen verkriecht. Außerdem finden sich Briefe, in denen sie ihren Verwandten in Iserlohn schildert, wie gerne sie wieder daheim wäre und wie fremd ihr Essen ist. Sitzt Manuela eventuell in einem Zug zu ihren Verwandten? Ist sie entlang von Landstraßen auf Wanderschaft? Oder wurde sie wirklich entführt? Wenn das Kind nur ausgerissen ist, wie konnte dann ein fremder Mann auf die Idee gekommen sein, die Familie telefonisch zu ängstigen? Wenn es sich aber tatsächlich um eine Entführung handeln sollte, warum stellen die Täter keine Forderungen?
    Der Fall wird noch mysteriöser, als der Fahrer des morgendlichen Linienbusses angibt, am betreffenden Donnerstag an Manuelas Haltestelle nicht gestoppt zu haben. Er spart gerne Zeit, und wenn keine Fahrgäste am Straßenrand stehen und niemand aussteigen will, fährt er einfach durch. Auf den von der Polizei vorgelegten Fotos erkennt er Manuela eindeutig als das Mädchen wieder, das sonst jeden Tag mit seiner Schwester an der fraglichen Haltestelle einsteigt.
    Das genaue Gegenteil gibt eine alte Dame, die während der

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