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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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abendliche Spaziergänger war Gott sei Dank nur Manuela. Sie würde den Eltern das kleine Geheimnis sicher nicht verraten. Im Gegenteil, Manuela hatte selbst einschlechtes Gewissen und sagte, sie sei auf dem Weg zur Tante in Iserlohn. Die beiden Mädchen verabschiedeten sich daher mit einem raschen »Tschüss« und gingen weiter auf ihren geheimen Wegen.
    Kaum hat Manuelas Freundin ihre Geschichte der Polizei erzählt, durchsucht diese auch schon die gesamte Kleingartenanlage. Manuela ist erwartungsgemäß nicht dort. Alles andere wäre auch verwunderlich gewesen, da sich das Pferde liebende Kind schon längst erwiesenermaßen in Iserlohn herumtreibt. Es finden sich auch keine sonstigen Spuren von Manuela auf dem Gelände.
    Am gleichen Tag meldet sich eine Mutter bei der Polizei, deren Tochter am Montagmorgen auf dem Weg zur Schule durch die Kleingartenanlage das vermisste Mädchen gesehen hat. Manuela ist also zurückgekehrt!
    Die neue Zeugin kann Manuela gut beschreiben, denn sie kennt diese noch aus der früheren Zeit in Iserlohn. »Manuela war übermüdet, als ich sie heute Morgen sah«, berichtet das Schulkind den Ermittlern. »Ihr Kopf fiel dauernd nach hinten und zur Seite, und ihre Augen waren halb geschlossen. So saß sie am Waldweg im Gras, ganz zauselig und ungepflegt. Als ich versuchte, Manuela zu überreden mitzukommen, und sie an die Hand fasste, warf sie mir ihren Rucksack an den Kopf. Das hat sehr wehgetan, weil ein schwerer Gegenstand darin war. Dann lief Manuela den Hügel hinauf und rief mehrmals ›Alex!‹.«
    Diese Aussage ist umso glaubhafter, als das Mädchen den Vernehmungsbeamten nicht nur viele Details aus Manuelas Kindheit erzählen kann, sondern auch erwähnt, dass Manuelas Eltern früher eine Laube in der Kleingartensiedlung gehabt hätten. In diese sei die Ausreißerin nun zurückgekehrt. Schon früher, so die kleine Zeugin, hätte sich Manuela in der alten Laube der Eltern versteckt, wenn sie traurig oder böse gewesen sei. Außerdem habe Manuela einen Bekannten namens Alex in Iserlohn.
    Zusammenfassend ergibt sich daraus folgendes Bild: Manuela muss am ersten Tag entweder in der Kleingartenanlage genächtigt haben oder von dort aus gleich nach Iserlohn gefahren sein. Dort hat sie Alex, ihren Bekannten, getroffen, und sich dann wieder in die Gartenlaube begeben. Die Mutter der kleinen Zeugin gibt noch zu Protokoll, dass ihre Tochter »weder zum Erfinden noch zum Spintisieren« neige.
    In diesem Moment erfährt die Polizei, dass Manuela dabei beobachtet wurde, wie sie in Essen aus dem Linienbus stieg. Es kann jetzt nur noch eine Frage von Minuten sein, bis das herumstreunende Kind endlich wieder bei seinen Eltern abgeliefert werden kann.
    Sicherheitshalber überprüfen die Ermittler die Stelle, an der Manuela ihrer Freundin den Rucksack an den Kopf geworfen hat. Das Gepäck hat die Ausreißerin bzw. ihr Freund verständlicherweise wieder eingesammelt. Allerdings findet sich, deutlich sichtbar, ein etwa tellergroßer Abdruck platt gedrückten Grases, auf dem Manuela wohl erschöpft gedöst hat. Auch Erdspuren am Hügel sprechen dafür, dass sie, genau wie von der Zeugin berichtet, bergauf zu Alex gelaufen ist. So weit, so gut.
    Die Tagesschau ist gerade vorüber, als bei Manuelas Eltern das Telefon klingelt. Ein Mann sagt mit unsicherer Stimme: »Zwei Millionen in nicht gekennzeichneten und nicht aufeinander folgenden Scheinen! Am … bis … Freitag!« Dann legt er auf. Die Beamten, die sich seit mehreren Stunden vom Verdacht der Entführung zu lösen begannen und das Ermittlungsteam schon verkleinert hatten, sind wie versteinert.
    War das ein Spaßvogel? Vieles spricht dafür. Manuelas Schwester Melanie ist sich absolut sicher, dass dieser Anrufer mit dem vom ersten Tag nicht identisch ist. Wäre es andererseits nicht möglich, dass die Eltern zusammen mit der älteren Schwester hinter der Sache stecken, Manuela misshandelt haben und nun falsche Fährten legen? Aber wo ist Manuela versteckt? Ist sie schon tot? Oder sollte das Kind tatsächlich erstvon zu Hause geflohen und dann, kurz vor ihrer Heimkehr, doch noch entführt worden sein?
    Sicher ist nur, dass sich das Kind zuerst in der Kleingartensiedlung, dann in Iserlohn und dann wieder im Kleingartengebiet herumgetrieben hat. Alles Weitere verliert sich im Tiefschwarz der Nacht auf Dienstag, den 10. Mai 1994. Das einzige neue kriminalistische Detail des Abends ist, dass der Anrufer, ein (von der Familie bezahlter?) Trittbrettfahrer,

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