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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Halter des Wagens. In der Wohnung des Mannes finden sich viele Gegenstände und Kleidungsstücke, von denen Manuela in ihrer Befragung gesprochen hatte. Seltsam ist nur, dass der Wagen- und Wohnungshalter als Arzt in einem nahe gelegenen Klinikum arbeitet und völlig ahnungslos ist. Da er sein Auto außerdem meist seinem 21-jährigen Lebensgefährten Daniel leiht, fällt der Verdacht sogleich auf diesen. Und wirklich, die Beschreibung, die Manuela von ihrem Entführer gibt, passt auf den KFZ-Mechaniker.
    Unter dem Eindruck der wiedererkannten Gegenstände, des Autos und seiner Personenbeschreibung gesteht Daniel die Tat. Das Geld brauchte aber nicht er, sondern sein Bruder, mit dem er die Tat auch durchgeführt hatte. Der ist HIV-positiv und wollte sich mit dem Geld noch einen schönen, wenngleich kurzen Lebensabend machen.
    Wie die Entführer im Fall Nina von Gallwitz (1981/82) begingen die Täter einen folgenschweren Fehler: Sie recherchierten nicht genug, sondern suchten sich eine reiche Wohngegendaus und beobachteten, welche Kinder wann zur Schule gingen. Da Manuela morgens immer das Gelände einer noblen Villa verließ, nahmen die Entführer an, sie müsse das Kind reicher Eltern sein.
    Am Donnerstag, dem Tag der Tat, sprachen die beiden Hobbyentführer das Kind an, fragten es nach dem Weg und boten ihm an, es zur Schule zu bringen. Weil Manuela ablehnte, zogen sie das Mädchen ins Auto. Dabei verlor es den aufgespannten Schirm.
    Im Brückenpfeiler banden sie Manuela an eine Innenstrebe und fesselten sie zudem an Händen und Füßen. Zwischendurch bekam die Entführte Butterbrote, Cola aus Plastikflaschen, Schokolade, Tee und Nudelsalat.
    Die Ermittlungen wären wohl weniger stark zerfasert, wenn Daniel mit seinem Freund, dem Arzt, nicht gleich nach der Entführung zu einem Kurzurlaub nach Holland aufgebrochen wäre. Da der Arzt nichts von der Tat wusste, die sein Freund angezettelt hatte, musste Daniel in dieser Zeit Lösegeldanrufe unterlassen. Er konnte den gemeinsamen Trip aber auch nicht absagen, ohne sich verdächtig zu machen.
    Was angesichts der Orientierungslosigkeit der Täter geschehen wäre, wenn der Brückenpfeiler nicht einer Baubesichtigung unterzogen worden wäre, ist schwer abschätzbar. Da sich die Entführer nie maskiert hatten, blieb allen Beteiligten unklar, wie die Täter die Entführung zu einem für sie sicheren Ende hätten bringen wollen.
    »Trotz der letztendlich glücklichen Lösung«, erinnern sich die beteiligten Kriminalräte Wälter und Westphal zusammenfassend, »bleiben bei der Polizei doch Fragen offen, die nie geklärt werden dürften.
    Jedem erfahrenen Kriminalisten ist die Unzuverlässigkeit von Zeugen hinreichend bekannt. In diesem Fall ist jedoch eine derartige Vielzahl voneinander unabhängiger Beobachtungen zu einem nahezu perfekten Puzzle zusammengesetzt worden, dass eine rationale Erklärung schwer fällt. Natürlichsind die Vernehmungen immer wieder unter dem Gesichtspunkt möglicher Verwechslungen oder Wichtigtuerei gewertet worden. Natürlich ist versucht worden, den Informationsgehalt der Öffentlichkeitsfahndung aus den Aussagen herauszufiltern und Zusatzfragen einzubauen.
    Was aber tun, wenn ganz offensichtlich alle kriminalistische Vernehmungskunst, eingebrachtes Engagement und Erfahrungswerte langjähriger Vermissten- und Jugendsachbearbeiter vor der Darstellungskunst zweier 13- und 14-jähriger Mädchen kapitulieren müssen? Beide Mädchen blieben, auch lange nach der glücklichen Rückkehr von Manuela befragt, mit der gleichen felsenfesten Überzeugung bei der ursprünglichen Schilderung.«
    Und wie sind die vielen Sichtungen in Iserlohn zu erklären? Vielleicht, so vermuten die Beamten, sind Großstadteinwohner bessere Beobachter und melden daher nur ein wirklich sicheres Geschehen? Oder haben sich die Menschen in Iserlohn überstark in Manuela und ihr Schicksal hineinversetzt? Vielleicht, so ein letzter Erklärungsversuch der Polizei, führt die Medienüberflutung in der Großstadt zu Abstumpfung, während sich ein »Großereignis« in Iserlohn umgekehrt anregend auf die Fantasie auswirkt?
    Eines steht fest, am 16. Mai 1994 haben Manuela und ihre Angehörigen, aber auch die Essener Polizei einen Schutzengel gehabt, der das Schicksal in einer lebensbedrohlichen Situation zum Guten wendete.
    Den Entführern war der Schutzengel weniger wohl gesonnen. Sie erhielten vom Landgericht Essen Haftstrafen von zehn und acht Jahren. Daniel strengte beim

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