MORDMETHODEN
Bundesgerichtshof eine Revision an, die aber am 31. Juli 1995 verworfen wurde.
Damit endete ein Fall, von dem sich alle Ermittler wünschen, dass sie Ähnliches nie wieder erleben müssen. Zwei Amateuren war einer der schlimmsten Dumme-Jungen-Streiche der Neunzigerjahre gelungen.
Ein tödlicher Fall: die Entführung von Charles Lindbergh jun.
Die Verirrungen im Ruhrtalbrücken-Fall sind nicht das einzige Beispiel dafür, wie im letzten Jahrhundert fehlgeschlagene, unüberlegte Verbrechen die Anteilnahme und Neugier der Öffentlichkeit fanden. Besonders rätselhaft war ein Fall, der in den Vereinigten Staaten begann, als Flugpionier Charles A. Lindbergh (1902–1974) eines Abends feststellte, dass sein Sohn aus dem Bettchen verschwunden war. Es dauerte 60 Jahre, bis das Verbrechen aufgeklärt wurde, und weder Täter noch Opfer haben die Auflösung je erfahren.
Als unser Fall beginnt, ist Lindbergh einer der berühmtesten Männer der USA, wenn nicht der ganzen westlichen Welt. Vom 20. auf den 21. Mai 1927 war der hoch gewachsene, damals 25 Jahre alte Mann in 33,5 Stunden von New York nach Paris geflogen. Als er in Le Bourget landete, war sein Triumph unbeschreiblich. »Ich hatte mich gerade an der Sorbonne eingeschrieben«, erinnert sich ein US-amerikanischer Zeitzeuge, »als wir im Radio hörten, dass Lindbergh über Schottland gesichtet worden war und in Kürze in Paris landen müsste. Ein Kommilitone und ich fuhren mit dem Linienbus zum Flughafen. Dort quetschten wir uns mit vielen anderen Menschen hinter einen Absperrzaun aus Draht. Als Lindbergh mit der ›Spirit of St. Louis‹ landete, rannte die Menge den Zaun einfach um und strömte aufs Rollfeld. Erst die Polizei konnte Lindbergh aus der begeisterten Menschenmasse befreien.« Lindbergh wurde in die US-Botschaft gebracht, wo er auch übernachtete.
»In der Pause einer Theateraufführung wurde bekannt gegeben, dass Lindy sicher gelandet sei«, berichtet der Augenzeuge weiter. »Wir jubelten und rannten auf die Straße, wo sich die Leute in die Arme fielen und eine Riesenparty veranstalteten. Am nächsten Tag zog zu Lindys Ehren ein Festmarsch die Champs-Élysées entlang. Das war einer der schönsten Tage meines Lebens.«
Für Lindbergh wurden es ebenfalls einmalige, sein weiteres Leben für immer verändernde Tage. Der Pilot hatte es zuvor im Leben nicht leicht gehabt, und nun wurde er erst vom französischen Staatspräsidenten empfangen, durfte im französischen Parlament eine Rede halten und wurde anschließend von König Georg V. nach England gebeten.
Die USA wollten ihren Fliegerhelden aber so schnell wie möglich wiederhaben, und so schickte Präsident Coolidge das Schlachtschiff »Memphis« nach Cherbourg, um Lindbergh und seine »Spirit of St. Louis« aufzunehmen. Als er etwa drei Wochen später wieder heimischen Boden betrat, wurde er vom Schiff weg auf eine Bühne am Washington Monument gebracht, dem riesigen Obelisken inmitten der amerikanischen Hauptstadt. Dort wartete bereits der Präsident und hielt eine lange Lobrede. Lindbergh hingegen fasste sich rekordverdächtig kurz: In nur sieben knappen Sätzen sagte er, dass die Europäer ihn gebeten hätten auszurichten, sie fühlten sich mit den US-Amerikanern verbunden. Dann dankte er allen Anwesenden noch einmal und setzte sich.
Obwohl Lindbergh gesellschaftlich nicht zum Helden geboren war, wurde ihm wenig später der höchste Orden für Tapferkeit verliehen, der sonst nur im Krieg vergeben wurde. Außerdem ernannte ihn das Militär zum Colonel (Oberst der Reserve). Auf diesen Titel war er so stolz, dass er von Stund an mit »Colonel« angesprochen zu werden wünschte.
Die Ehrungen gingen weiter und erreichten ihren Höhepunkt, als Lindbergh am 13. Juni in Manhattan zum Mittelpunkt der größten Straßenparade wurde, die es dort je gegeben hatte. »Colonel Lindbergh«, sagte der Bürgermeister im Rathaus bewegt, »New York gehört Ihnen!«
Danach machte »Lucky Lindy«, wie er nun oft genannt wurde, mit seinem Flugzeug eine Tour durch alle 48 Bundesstaaten der USA, kassierte für sein Buch über den Atlantikflug 100 000 Dollar, erhielt weitere Auszeichnungen und wurde Unternehmensberater, unter anderem für die Ölindustrie.
Das Füllhorn des Glücks schüttete seine Gaben unentwegt weiter auf den Colonel. Als der republikanische US-Botschafter in Mexiko, Dwight Morrow, Lindbergh über Weihnachten auf seinen Landsitz einlud, lernte er dort eine von dessen Töchtern kennen. Anne war 27 Jahre
Weitere Kostenlose Bücher