MORDMETHODEN
auftauchte, war dort von Lindbergh selbst deponiert worden. Niemand war ein zweites Mal die Leiter hinaufgeklettert, Lindbergh selbst hatte ihn während des Tohuwabohus abgelegt und dann gefunden. Dass er den Brief nicht sofort aufriss, wie es jeder Mensch in solch einem Fall tun würde, sondern strikt anordnete, das Eintreffen der Spurensicherung abzuwarten, spricht ebenfalls für seinen Plan: Er wusste, dass keine Fingerabdrücke auf dem Umschlag waren, auch nicht im Zimmer, da er diese von den wenigen glatten Flächen abgewischt hatte. Den Fingerabdruck, den Condon am Fenster gesehen hatte, gab es ganz sicher nicht. Denn erstens hatte kein einziger Polizist ihn sichergestellt, und zweitens entsprang die gesamte Aussage Condons zu diesem Thema offensichtlich seiner Fantasie.
Dass Lindbergh die Ermittlungen verzögerte und behinderte, wo es nur ging, lässt sich ebenfalls leicht verstehen. Er wollte so viele in die Irre leitende Spuren wie möglich, bis sie zuletzt ein unentwirrbares Knäuel ergaben.
Und was ist mit der Leiche? Ihre Lage liefert den sichersten Hinweis darauf, dass Lindbergh der Täter war. Nachdem das Kind wegen eines Ausrutschers auf der fehlkonstruierten Leiter aus Versehen zu Tode gekommen war, musste Lindbergh es so schnell wie irgend möglich loswerden. Er schaffte es gerade einmal viereinhalb Kilometer weit, dann warf er das Kind ins Gebüsch. Er hatte keine Zeit, es zu begraben, da er allmählich zu Hause wieder auftauchen musste. Anne war, wie geschildert, ohnehin schon aufgefallen, dass ihr Gatte an diesem Abend aus unerklärlichen Gründen zu spät kam.
Die Fundstelle der Kinderleiche entlastet übrigens auch Bruno Hauptmann als möglichen Täter. Die Bronx liegt nördlich von Hopewell, das Kind wurde aber kilometerweit südlich gefunden. Warum hätte ein Entführer eine Strecke nehmen sollen,die ihn in größte Gefahr brachte, bei einer eventuell rasch ausgelösten Suche nach dem Kind in eine Straßensperre zu geraten? Wie nahe liegend diese Furcht war, zeigt die bereits erwähnte Tatsache, dass sogar die Washington Bridge nach New York City gesperrt wurde, als Lindbergh Alarm gab.
Einen letzten Hinweis auf die Täterschaft Lindberghs sehen Ahlgren und Monier darin, dass eine der Daumenkappen des kleinen Charles nahe des Hauptweges zum Haus gefunden wurde. Sollte der Entführer das Kind samt Daumenkappen allen Ernstes entlang der Zufahrt zum Haus in sein Auto getragen haben?
»Kein Entführer würde auf die Zufahrt zum Haus gefahren sein«, schreiben die beiden Ermittler, »um ein Jahrhundertverbrechen zu begehen. Die Zufahrt wand sich knapp einen Kilometer lang einspurig zum Haus, und wenden konnte man nur auf dem Platz vor dem Hauseingang. Wenn ein Entführer so leichtsinnig wäre, dort zu parken, würde er jederzeit riskieren, von einem Hausbewohner entdeckt zu werden, der mit dem Wagen den Weg hinabführe. Noch schlimmer wäre es, wenn ein Besucher von der Straße her käme – der Besucher würde nicht nur Augenzeuge des Verbrechens [zumindest des Verladens des Kindes; M. B.] werden, sondern dem Täter wäre auch noch der Fluchtweg abgeschnitten.«
Und nicht nur das. Ein möglicher Täter musste durch das tagelange Ausspähen des Hauses gewusst haben, dass Lindbergh an diesem Abend noch nicht heimgekommen war. Schon deswegen würde der Entführer auf keinen Fall in der Nähe des Hauses geparkt haben. Die Wahrscheinlichkeit, dabei von Lindbergh entdeckt zu werden, war geradezu selbstmörderisch hoch. Und doch lag die Daumenkappe in der Nähe des Weges zum Haupteingang des Hauses.
Die einzige logische Erklärung dafür ist, dass Lindbergh selbst das tote Kind ins Auto geladen und dabei die Kappe verloren hatte. Er war der Einzige, der um diese Uhrzeit auf seinem eigenen Weg fahren konnte, ohne sich erklären zu müssen.
Das alles glauben Sie trotzdem nicht? Dann hören Sie selbst, was Lindbergh vor Gericht zu sagen hatte, als er gebeten wurde, den schlimmsten Tag seines Lebens zu schildern.
reilley
(Verteidiger): »Würden Sie uns bitte schildern, was Sie am Dienstag [dem Tag der Entführung; M. B.] getan haben?«
lindbergh
: »Dienstags war ich tagsüber in New York.«
reilley
: »Wo?«
lindbergh
: »Ich kann mich nicht mehr im Detail erinnern, wo ich war. Ich glaube, ich war im Bürogebäude der PanAm, vielleicht auch in den Frachtbüros von Trans-Continental. Einen Teil des Tages war ich im Rockefeller-Institut, und wenn mich nicht alles täuscht, war ich
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