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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Sicherheit nicht aus dem Schlosspark stamme, weil die Erde dort anders zusammengesetzt sei. Diese Aussage widersprach der Aussage des Pastors, er wäre mit den Schuhen nur im Schlosspark unterwegs gewesen.
    Zweitens konnten sie ausschließen, dass die Anhaftungen an den Stiefeln nicht vom Leichenfundort stammten. Das ist eine doppelte Verneinung, und sie hört sich etwasgestelzt an. Sie bedeutet aber nur, dass die Experten der Doyle’schen Grundregel folgten, nach der es in der Kriminalistik genauso wichtig ist, die richtigen Annahmen zu beweisen, wie die unrichtigen zu widerlegen. In diesem Fall heißt das, dass die Stiefelanhaftungen zwar auch von einem anderen Ort stammen könnten, der die gleiche Erdbeschaffenheit aufweist, dass dies aber nach menschlichem Ermessen sehr unwahrscheinlich ist.
    Absolut sichere, das heißt hundertprozentige Aussagen können Naturwissenschaftler oft nur machen, wenn sie etwas ausschließen. Eine Bodenprobe kann beispielsweise wegen des Fehlens einer wichtigen Gesteinsart mit völliger Sicherheit nicht vom Fundort stammen. Ein Daumenabdruck kann wegen des Fehlens einer bestimmten Hautverzweigung sicher nicht von einem Verdächtigen hinterlassen worden sein. Und eine Ameise, die nur in tropischer Hitze lebt, stammt mit ebenso hundertprozentiger Sicherheit nicht aus einem deutschen Winterwald.
    Geht es aber anstelle von Verneinungen (so genannten Ausschlüssen) um Zuordnungen und Übereinstimmungen, so gilt eine andere Rechenweise. Hier gibt es, aus rein mathematischen Gründen, kein hundertprozentiges Ja mehr, sondern nur noch Wahrscheinlichkeiten. Das lässt sich auch ohne Formeln anhand eines Experiments verstehen.
    Lassen Sie einen Freund hinter vorgezogenem Vorhang zwei leere Cocktail-Shaker aufstellen. In einen davon soll er ein wenig goldenen Karnevalsglitter geben. Dann soll er beide Gefäße mit Sand füllen und sie ordentlich durchschütteln. In einem Gefäß ist nun geschüttelter Sand, im anderen ein Gemisch aus Sand und Glitter.
    Jetzt gießt Ihr Freund die Hälfte des Sandes aus dem Shaker ohne Glitter auf den Tisch. Sie sind ab sofort Gerichtsexperteund sollen die drei Sandproben vergleichen: die auf den Tisch geschüttete, die im ersten und die im zweiten Shaker. Der Richter bittet Sie, zu entscheiden, aus welchem der Gefäße der Sand stammt, der auf dem Tisch liegt.
    Sehr einfach, werden Sie sagen. Der Sand auf dem Tisch enthält keinen Glitter. Er stammt also aus dem Shaker ohne Glitter.
    Nun fragt die Verteidigerin, wie sicher Sie sich dieser Aussage sein können. Könnte es nicht noch andere Shaker auf der Welt geben, die den gleichen Sand enthalten wie den auf dem Tisch ausgeschütteten? Und was ist mit Sandkästen? Könnte der Sand nicht von einem Spielplatz stammen?
    Sie sind ein ehrlicher Experte und antworten daher: »Stimmt. Ich kann nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob der Sand aus dem Shaker oder von einem Spielplatz stammt. Es ist aber sehr wahrscheinlich , dass er aus dem Schüttler kommt, weil es im Umkreis von 100 Metern keinen Spielplatz gibt. Mein Freund kann den Sand daher kaum so schnell beschafft haben.
    Wenn Sie mich also nach der Wahrscheinlichkeit fragen, mit der der Sand auf dem Tisch derselbe ist wie der im glitterfreien Shaker, dann sage ich, der Sand auf dem Tisch stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Schüttler ohne Glitter, denn ich sehe keinen Glitter im Sandhaufen. Eine hundertprozentige Angabe möchte ich aber nicht machen. Denn ich kann Ihre Sandkastentheorie mit meinen naturwissenschaftlichen Methoden nicht vollkommen ausschließen.
    Wenn Sie aber eine andere hundertprozentige Aussage wünschen, so kann ich Ihnen Folgendes sagen: Der Sand auf dem Tisch enthält keinen Glitter. Er stammt daher auf gar keinen Fall aus dem Shaker mit dem Glitter.«
    Warum nicht gleich so? Ist die eine Aussage nicht ebenso gut wie die andere? Vielleicht schon. Der Experte darf vor Gericht aber nur das sagen, was er wirklich weiß. Gesunder Menschenverstand ist ebenso wenig gefragt wie allgemeine Annahmen. Das verhindert, dass ein Sachverständiger zum Richter in Kleinformat wird. Denn nur die Juristen haben das Recht, vor Gericht eine Gesamtschau zu entwerfen, in der eine Welt jenseits der Fakten aufgebaut wird.
    Im Fall Geyer durfte der Staatsanwalt zum Beispiel verkünden, dass die Frau des Pastors am Freitagmorgen wohl mit der Scheidung gedroht hat. Niemand (außer dem Pastor) weiß, ob das stimmt. Der aufgetauchte Brief

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