MORDMETHODEN
Oberstaatsanwalt, und bei zwei Bekannten. Außerdem alarmiert er zuerst die Helmstedter und dann die Braunschweiger Polizei. Zwar ist der rote VW Passat seiner Frau in Helmstedt zugelassen, doch niemand (auch der später befragte Pastor selbst) kann sich vorstellen, was die dortige Polizei zur Suche nach der verschwundenen Frau beitragen sollte. Geyers Aufregung ist ohnehin merkwürdig. Er spricht stets von einem Verbrechen. Doch könne es nicht sein, dass seine Frau irgendwo unterwegs ist, fragen ihn alle Beteiligten. Aber daran glaubt der Pastor nicht. Er arbeitet schon an einem Flugblatt und ruft die Braunschweiger Zeitung an.
Gegen zwei Uhr nachts trifft dann eine befreundete Pastorin im Geyer’schen Pfarrhaus ein, und die beiden »verkriechen sich im Ehebett«, wie der Spiegel sich ausdrückt. Vor Gericht tritt diese Zeugin in schwarzem Kostüm mit Minirock auf. »Ich vermisse Veronika«, hatte Geyer ihr am fraglichen Freitag, gegen zehn Uhr abends, am Telefon gesagt. Mehr erfährt dasPublikum nicht über das außereheliche Verhältnis, denn ausnahmsweise wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die Aussage der Pastorin dauert mehr als zwei Stunden. Der kriminaltechnische Bericht erwähnt frische Spermaspuren.
Wenig später wiederholt sich die außereheliche Szene im Pfarrhaus mit einer anderen Frau. »Ich habe Nähe gesucht und noch mal Nähe«, erklärt Pastor Geyer bei der Verhandlung. »Ich brauchte jemanden, der mir nahe stand. Ich brauchte in diesen Tagen zwei Menschen, an denen ich mich festhalten konnte. Ich dachte, ich stürze ab. Es war die absolute Katastrophe. Wenn es um Katastrophen ging, haben wir uns immer über alle Konventionen hinweggesetzt. Ich habe in Anspruch genommen für mich, dass ich mich in dieser Nacht über jede Konvention hinwegsetze. Meine Frau hätte dies verstanden.«
Als Bild am Sonntag am 3. August 1997, neun Tage nach Frau Geyer-Iwands Verschwinden, den ersten Ehebruch aufdeckt, ziehen tiefschwarze Wolken über Geyer auf. Was Geyer normal findet, kommt der Öffentlichkeit verdächtig vor. Zwar hatte das Amtsgericht Wolfenbüttel schon am 30. Juli einen Haftbefehl ausgesprochen, doch da glaubten viele Menschen noch an ein Missverständnis. Erst das Bekanntwerden der Liebesaffäre lässt sie Geyers seelsorgerische Tätigkeit, seine Arbeit im Altenheim sowie die Betreuung von Jugendlagern der »Aktion Sühnezeichen« vergessen. Den Zeitungslesern missfällt der Gedanke, dass ein Mensch, der nach ihrem Willen Tugend verkörpern soll, nicht so lebt, wie es in ihr Weltbild passt. Doch so einfach ist es nicht. Ein Ehebruch beweist noch keine Tötung.
Das zerstörte Gesicht
Am Tag nach dem Verschwinden seiner Frau, es ist nun Samstag, storniert Geyer die Flugtickets in die USA. »Ich wollte vor Ladenschluss das Reisebüro informieren«, erklärt Geyer. »Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass man mir darauseinen Vorwurf macht.« Außerdem gibt er nun das am Vorabend entworfene Flugblatt heraus, auf dem er nach seiner Frau fahndet. »Ein Mensch wird vermisst«, steht darauf, »wir müssen den Verdacht auf ein Verbrechen haben.«
Sowohl das Flugblatt als auch die Stornierung der Tickets werden sogleich als Schuldhinweis, nicht als Fürsorge, gewertet. Die Beienroder, die Polizei und die meisten Journalisten meinen, dass jemand, der nichts Genaues über den Verbleib seines Partners weiß, nicht so organisiert und kontrolliert handeln würde. Woher konnte der Pastor wissen, dass seine Frau nicht doch noch heimkommt? Und wie würde er ihr dann erklären, dass er die Tickets zurückgegeben hatte? Andererseits, wenn Frau Geyer-Iwand wirklich nie unpünktlich war, liegt dann nicht doch die Annahme eines Unglücks nahe?
Sehr verdächtig, schrieben die einen. »Hinrichtungsjournalismus«, meinte Geyer. »Der Mord an meiner Frau nahm mir wie ein Blitz aus heiterem Himmel meine Lebenspartnerin … Die gemeine öffentliche Verdächtigung frisst wie ein Krebsgeschwür, zerstört und verunsichert … Man verurteilt mich moralisch. Ich kann dazu nur sagen: Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet!«
Am Sonntag taucht die erste wertvolle Spur auf. Frau Geyer-Iwands Auto steht inklusive der Einkaufstüten am Braunschweiger Bahnhof. Ist die betrogene Frau in die Ferne gereist? Eher nicht, denn auch Euroscheck- und Kreditkarte liegen noch im Auto. Die Polizei ist ratlos.
Als sich herausstellt, dass Frau Geyer-Iwand am Freitag in der Filiale einer bekannten Süßwarenkette
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