MORDMETHODEN
böse Wette bezieht sich auf die Tatsache, dass Kindesmörder gelegentlich schon im Gefängnis, im Fall Homolka aber vielleicht auch erst nach ihrer Freilassung getötet werden.
So war es nahe liegend, dass auch Karla Homolka um ihr Leben fürchtete. Anders als die im Gefängnis recht ruhigen Täter Dahmer und Garavito hatte Homolka allerdings ungewollt selbst dazu beigetragen, Wut auf sich zu ziehen. Der Zorn auf sie war ohnehin schon groß, denn 1993 war sie zu einer für die Kanadier unbegreiflich niedrigen Haftstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Bereits im Sommer 2000 arbeitete sie daran, im Juli 2001 vorzeitig entlassen zu werden – wegen guter Führung. »Ich habe alle vorgegebenen Auflagen erfüllt«, hatte die Inhaftierte mehr oder weniger wahrheitsgemäß erklärt.
Was Karla Homolka nicht ahnte, war, dass eine ihrer früheren Gefängniskolleginnen bei einer Knastparty im Jahr 1998 (legal) Fotos gemacht hatte. Die zweifelhafte Freundin verkaufte diese Bilder zwei Jahre später (illegal) an die Montreal Gazette . Auf den Fotos ist eine ausgelassene Gefängnisfeier im kleinen Kreis zu sehen, mittendrin die gut gelaunte Karla. Diese Feier hätte bereits gereicht, um eine Geschichte auf Seite eins der Zeitungen zu rechtfertigen und den Volkszorn zum Kochen zu bringen. Doch erst der Kommentar der Fotografin bewirkte, das auch das juristische Fass überlief: Das Frauengefängnis in Joliette, sagte die Partydokumentarin, sei eine Art »Kindergarten für Erwachsene«, in dem die Insassinnen »verzärtelt« würden.
Jeffrey Dahmers Tod
Im Fall Dahmer haben vielleicht sogar die Aufseher dafür gesorgt, dass der Verurteilte mit einem besonders aggressiven Mithäftling zusammenarbeiten musste, der ihn schließlich tötete.
Es begann damit, dass Dahmer es in seiner fensterlosen, nur knapp acht Quadratmeter großen Zelle nicht mehr aushielt. In diesem winzigen Raum hörte er sich zwar gregorianische Choräle, Walgesänge sowie Musik von Bach an und studierte allein oder zusammen mit Pastor Roy Ratcliff die Bibel. Im gefängniseigenen Schwimmbecken wurde er sogar getauft. Ansonsten hatte er jedoch nichts zu tun. Das führte dazu, dass für ihn sogar das Haareschneiden zum Ereignis geriet, wie er seinem Anwalt mitteilte.
Eine Veränderung der Situation war nicht in Sicht, denn überall im Gefängnis war es zu gefährlich für Dahmer. Egal, in welchem Land ein Täter Kinder und Jugendliche tötet, in Haft ist er in Lebensgefahr. Selbst die kleine Gefängnis-Kapelle war für Dahmer kein sicherer Ort: Im Juli 1994 konnte ein Mithäftling gerade noch daran gehindert werden, ihm dort den Hals aufzuschneiden. Trotzdem wünschte sich der einsame Dahmer, mehr unter Leute zu kommen. (Der zweihundertfache kolumbianische Kindesmörder Luis Alfredo Garavito lebt seit 1999 im Verwaltungstrakt des Gefängnisses, damit er ungestört an die Luft treten kann. Bis heute, Juli 2002, ist er am Leben, wie der Autor bei einem Treffen mit dem Serienmörder feststellen konnte.) *
Vier Monate später genehmigte die Gefängnisleitung endlich, dass Dahmer der Putzkolonne beitreten durfte. Dort erhielt er neben seiner kleinen Freiheit auch 24 Cent pro Stunde. Doch das Glück war nur von kurzer Dauer. Am28. November 1994, nur wenige Wochen nach Dienstantritt, erschlug ihn sein Putzkollege Christopher Scarver mit einer Eisenstange, als Dahmer eine Toilettentür der Sporthalle reinigte. Die Untersuchungshaft eingerechnet, hatte er nur rund drei Jahre im Gefängnis überlebt.
* Details hierzu sind enthalten in: Benecke, Mark/Miguel Rodriguez, »Luis Alfredo Garavito Cubillos. Kriminialistische und juristische Aspekte einer Tötungsserie mit über 200 Opfern«. In: Archiv für Kriminologie , Lübeck: Schmidt-Römhild 2002 [in Druck].
Ob das stimmte oder nicht, war den Menschen in Kanada egal. Die Täterin sollte schmoren, aber nicht feiern. Von vorzeitiger Entlassung durfte niemand mehr sprechen. Als in der Zelle ihres Exgatten auch noch ein Heft der für deutsche Verhältnisse unspektakulären Zeitschrift Maxim mit Bildern leicht bekleideter Frauen gefunden wurde, feuerte man den Aufseher Bernardos, und die Internet-Todeswettseite entstand.
»Das alles war, als hätte jemand Benzin ins Feuer geschüttet«, erklärte ein Gefängnismitarbeiter gegenüber der Toronto Post in Bezug auf das eingeschmuggelte Maxim -Heft. »Wer so etwas tut, muss selbst schon jenseits von gut und böse sein.«
Welche Verbrechen hatten Karla Homolka und Paul
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