MORDMETHODEN
ihr zuerst den Mund zu, um ihr dann ein Kabel um den Hals zu legen. »Wenn du schlau bist, sei leise«, befahl er ihr. »Keinen Mucks! Ich tue dir nichts, ich will mich nur unterhalten. Wenn du Weihnachten noch erleben willst, halt’s Maul. Wie heißt du?«
Dann vergewaltigte er Libby abseits der Straße in besonders übler Weise. Erst nach weit über einer Stunde machte sich Paul wieder aus dem Staub. Der Polizei berichtete Libby, dass der Täter zwischen den Torturen mehrmals gesagt hätte, wie gut es sei, dass sie sich nicht wehre und dass er sie deswegen am Leben ließe. Das stand in merkwürdigem Gegensatz zur Brutalität des Überfalls und der Vergewaltigung.
Nutzlose Täterprofile
Auch Detective Steve Irwin von der Mordabteilung der Polizei in Scarborough kam die Vergewaltigung von Libby sehr merkwürdig vor. Denn erstens waren im Mai und Juli drei Frauen im Bezirk ebenfalls beim Aussteigen aus dem Bus von einem Mann abgefangen worden (der Täter hatte die Opfer sehr brutal begrapscht und genötigt). Und zweitens war im August eine Joggerin im Warden-Woods-Park ganz in der Nähe vonScarborough ins Gebüsch gerissen, vergewaltigt und getötet worden.
Die drei überlebenden Frauen hatten übereinstimmend ausgesagt, dass der Täter einen gepflegten Eindruck gemacht habe, gute Zähne hatte und »nicht unangenehm« roch. Er sprach während der Tat dauernd mit den Opfern und fragte sie beispielsweise, ob sie einen Freund hätten und wie sie hießen. Mit den Antworten nahm er es sehr genau; er überprüfte sie sogar anhand der Ausweise der Frauen.
Was Irwin wegen der ähnlichen Tatumstände als Bindeglied zwischen den Nötigungen und dem Mord erschien, kam dem Sachbearbeiter des Falls eher wie ein Hinweis gegen eine Tatserie vor. Die sexuellen Nötigungen hatten sich innerhalb der Stadt zugetragen, der Mord etwas außerhalb. Ein Serientäter, so meinte der Sachbearbeiter, weiche von einem genau ausgetüftelten Ort für seine Taten nicht ab.
Sieben Tage später, am 23. Dezember, wurde Mary Both auf der Straße überfallen und vergewaltigt. Die zuvor angegriffenen Frauen hatten lange, dunkle Haare und waren zierlich, Mary Both hingegen war blond, etwas größer und wog knapp 70 Kilo. Ein weiterer Tatbestand, der gegen eine Serientat sprach?
Andererseits lief auch diese Vergewaltigung nach dem gleichen Schema ab wie die bisherigen Fälle. Der Täter wurde dabei immer drängender in seinem Wunsch nach Bestätigung. Er zwang Mary Both aufzusagen: »Ich bin eine Hure; frohe Weihnachten. Ich liebe dich, und ich tue das nur, weil ich meinen Freund hasse. Ich bin mein Geschenk an dich.«
Bevor der Täter sie gehen ließ, drohte er noch: »Ich habe deinen Ausweis. Wenn ich auch nur ein Wort über das Ganze hier in der Zeitung lese, komme ich zurück und töte dich.« So wurde immer deutlicher, dass dieser Mann – wie alle Serienvergewaltiger – nur eines wollte: Macht. Sex war dabei nur ein Mittel zum Zweck, aber keineswegs das eigentliche Ziel.
Der Kontrollfreak Paul Bernardo hatte allerdings einen großenFehler gemacht: Mary Both hatte ihren Peiniger im Schein einer nahen Straßenlaterne erkennen können. Zwar kannte sie den Täter nicht, aber seine Beschreibung würde in jeder Kleinstadt der Welt genügen, um der Vergewaltigungsserie ein Ende zu machen.
Der Täter hatte laut Mary Both ein Muttermal unter der leicht gekrümmten Nase, keine Narben und keine Tätowierungen. Seine Haare waren hell wie auch seine Hautfarbe. Er war ordentlich rasiert, etwa 1,80 Meter groß, schlank und beschnitten – wie viele US-Amerikaner. Außerdem roch er gut und trug einen goldenen Ring mit drei Diamanten an der einen Hand und einen Highschool-Ring mit rotem Stein an der anderen Hand. Das Tatmesser war ein Stiletto und steckte in einer schwarzen Lederhülle. Außerdem fuhr der Täter einen weißen Capri.
Frohe Weihnacht
Am Tag nach dieser Vergewaltigung war Heiligabend; für Karla und Paul brach die Zeit der Geschenke an. Bernardo überhäufte seine Freundin in St. Catherines mit Schmuck, Kleidung und einem teuren Teddybär. Karla hatte sich ebenfalls etwas ausgedacht: einen sauber geschriebenen Gutschein für »kranke, perverse Handlungen, die Karla Leanne Homolka gegen Vorlage dieses Gutscheins an Paul Kenneth Bernardo begehen wird. Die Art der Handlungen bestimmt der Empfänger des Gutscheins. Dieser Gutschein verliert am 2. Januar 1988 seine Gültigkeit. Alles Liebe, Karla«.
Doch das Glück der beiden war bedroht. Denn
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