Mordrausch
hatte den Mann mit Tritten ins Jenseits befördert. Shooter hatte mal einen Nigger in Stockton, Kalifornien, umgebracht, aber das war was anderes. »Der Typ, der gestorben ist … das war echt ein unglücklicher Zufall. Haben sie im Fernsehen auch gesagt. Der war auf irgendwelchen Medikamenten, deswegen ist er innerlich verblutet. Ich konnte nichts dafür. So schlimm hab ich ihn nicht getreten.«
»Ich fand’s ganz schön übel«, bemerkte Joe Mack, um den Druck auf Haines zu erhöhen.
»Der Mistkerl hat mich gekratzt«, sagte Haines. »Und nicht mehr losgelassen.«
»Aber erst nach den Tritten«, erklärte Joe Mack.
»Wie schlimm hat er dich erwischt?«, fragte Lyle Mack.
»Nicht schlimm, hat nur ein bisschen geblutet«, antwortete Mikey.
»Lass mal sehen«, sagte Lyle Mack.
Mikey zog das Hosenbein hoch. »Ist nichts«, brummte er. Der lange, schmale Kratzer mit dem getrockneten Blut hätte von einem Schraubenzieher stammen können.
Im Frühstücksfernsehen erzählte eine Frau gerade, dass sie aus Müll, Dosenringen und Kronkorken Schmuck für den Martin Luther King Day basteln wolle. Die Macks und die anderen lauschten eine Weile schweigend, dann sagte Joe Mack: »Die ist auf schlechtem Stoff. Ein normaler Mensch kommt nicht auf solche Ideen.«
Lyle Mack schaltete das Gerät mit der Fernbedienung aus, kratzte sich am Kopf und sagte: »Tja …«
Honey Bee ließ eine Kaugummiblase platzen. »Und was machen wir jetzt?«
»Unauffällig bleiben«, antwortete Lyle Mack. »Den Stoff und die Waffen bringen wir zu Dad auf die Farm, weil die identifiziert werden könnten. Einen Monat lang rührt keiner das Zeug an. Ihr drei … nein, Joe Mack, du bleibst besser hier. Honey Bee soll dir die Haare schneiden, ganz kurz.«
»Nein«, stöhnte Joe Mack.
Ohne auf ihn zu achten, fuhr Lyle Mack fort: »Mikey und Shooter, ihr fahrt raus zum Haus von Honey Bee. Sobald Joe fertig ist, kommen er und ich nach. Ihr drei solltet so schnell wie möglich zu Eddie’s. Lasst euch jede Nacht in mehreren Kneipen blicken, bis keiner mehr so genau weiß, wann ihr dort wart. Dann könnt ihr behaupten, ihr wärt schon über ’ ne Woche da gewesen, bevor diese Scheiße passiert ist.«
»Mann, da ist es arschkalt«, beklagte sich Haines. Eddie’s befand sich in Green Bay.
»Hier ist es auch arschkalt, und Eddie können wir vertrauen. Wir säßen jetzt nicht in der Scheiße, wenn du den alten Mann nicht getreten hättest«, stellte Lyle Mack fest. »Also halt’s Maul und fahrt zu Eddie’s. Wartet bis zum Abend bei Honey Bee. Holt euch nirgends was zu essen oder trinken, lasst euch nicht blicken. Schließlich wollen wir nicht, dass irgendjemand sagt: ›Den hab ich an dem Tag gesehen, an dem’s passiert ist.‹«
»Und was ist mit …« Chapman schaute die Taschen mit den Medikamenten an. »Wir sollten doch einen Anteil kriegen.«
Lyle Mack, ein kleiner, korpulenter Mann in schwarzer Fleece-Jacke und Jeans, stand auf, ging in den vorderen Teil des Lokals und kehrte drei Minuten später mit einem schmalen Bündel Fünfzig-Dollar-Scheinen zurück. Er teilte es einigermaßen genau in zwei Hälften und gab sie Haines und Chapman. »Verschwindet jetzt. Das sind zweitausend für jeden. Die reichen bei Eddie’s einen Monat lang. Sobald wir den Stoff verkauft haben, kriegt ihr den Rest.«
»O Mann, Green Bay«, jammerte Haines.
»Besser als Oak Park Heights«, erwiderte Chapman. Das war das Hochsicherheitsgefängnis des Bundesstaats.
Sie sahen einander schweigend an. Zu hören waren nur das Brummen eines Kühlschranks und Honey Bees Kaugummikauen. Nach einer Weile sagte Lyle Mack erneut zu Haines und Chapman: »Verschwindet. Ich komme nach, sobald es geht. Holt euch Pizza aus der Tiefkühltruhe und Bier.«
»Das war unser größter Coup«, bemerkte Haines.
»Ja, aber du musstest ihn natürlich vermasseln«, knurrte Lyle.
Haines und Chapman holten sich vier Pizzen und zwei Kästen Miller-Bier und gingen durch die Hintertür hinaus. Ihr 2002er TransAm war an einer Schneewehe geparkt. Lyle Mack beobachtete auf den Zehenspitzen stehend durch das Garagentorfenster, wie die beiden einstiegen und der Wagen um die Ecke bog.
Dann drehte er sich zu Joe Mack und Honey Bee um und sagte: »Honey, hol mir einen heißen Fudge Sundae.«
»Was?« Ihr klappte die Kinnlade herunter, so dass er den Kaugummi sehen konnte, der wie eine Verwachsung in ihrem Mund hing. Sie war eine attraktive Frau, ruinierte den Gesamteindruck jedoch leider durch
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