Mordrausch
wiederholte Barakat.
»Ich möchte dir auch was sagen, das du nicht vergessen solltest«, erklärte Joe Mack. »In der Garage hab ich eine Kettensäge. Wenn du mich verpfeifst, schneid ich dich in zwei Hälften, und zwar von unten nach oben, die Eier zuerst.«
Wieder Schweigen, dann Barakat: »Wenn ihr mehr Informationen braucht, ruft mich an. Auf dem Handy bin ich jederzeit erreichbar. Aber nicht von eurer Kneipe oder von zu Hause aus.«
»Wir haben saubere Handys«, versicherte ihm Lyle Mack.
Barakat stand auf. »Und nennt mich nicht Al«, sagte er, bevor er ging.
Auf dem Weg hinaus fragte Joe Mack seinen Bruder: »Kaufst du ihm die Geschichte mit dem Hautabziehen ab?«
»Hey, das sind Scheißaraber oder so was«, antwortete Lyle. »Wer weiß, wozu die fähig sind.«
»Der ist härter, als ich dachte«, sagte Joe. »Ich glaube nicht, dass er uns einen Bären aufgebunden hat.«
Barakat ging mit der Kokain-Tüte zu seinem Wagen, setzte sich hinein, verriegelte die Türen, sah sich um und holte den wiederverschließbaren Beutel heraus. Ein Pfund, kristallweiß. Die Macks hatten behauptet, es sei rein und unverschnitten; das glaubte er erst, wenn er es probiert hatte.
Und das würde er jetzt tun. Ein Risiko, ja, denn jeden Augenblick könnte jemand vorbeikommen und ihn im Wagen beobachten. Trotzdem …
Er nahm seine Aktentasche vom Beifahrersitz, öffnete sie, holte ein Taschenbuch mit glattem Einband heraus, schloss die Aktentasche wieder und legte sie auf seinen Schoß. Blickte sich noch einmal um. Dann schüttelte er zitternd ein kleines Häufchen Koks auf das Buch und probierte es. Es schien in Ordnung zu sein.
Aber Kokain wurde manchmal mit Strychnin verschnitten, um die Wirkung zu verstärken, hatte er gehört. Was, wenn sie das getan hatten? Es schmeckte sauber. Koks wurde mit Laktose, Mannitol, Lidocain, Dextrose und allem möglichen anderen Zeug gemischt. Barakat spürte kalten Schweiß auf seiner Stirn.
Er musste an die Beirut-Geschichte denken, die er den Macks aufgetischt hatte: Alles erlogen, eine wilde Mischung aus Schilderungen seiner damaligen Schulkameraden. Trotzdem bereiteten die Macks ihm Kopfzerbrechen.
Wieder betrachtete er das Kokain. Egal, was drin war, er konnte nicht mehr länger warten. Barakat holte einen Cafeteria-Strohhalm aus der Tasche, schaute sich ein letztes Mal um und schnupfte den Stoff.
Kurz darauf sah die Welt ganz anders aus.
Zuerst der Rush, der wie Strom durch seine Nervenbahnen jagte, dann die Kraft, die Helligkeit, die Klarheit.
Besser als Sex.
Am Abend schloss Adnan Shaheen die Tür zu Barakats Haus auf und rief: »Alain?« Shaheen war ein klein gewachsener Mann mit dichtem, buschigem Schnurrbart, dunkler Haut und sanften braunen Augen. Er trug einen Parka über einem weißen, hüftlangen Ärztekittel und war im ersten Assistenzarztjahr in der Inneren Medizin. »Alain, bist du da?«
Barakats Wagen stand in der Auffahrt. Shaheen hörte ein dumpfes Geräusch aus dem Schlafzimmer, als wäre jemand hingefallen.
»Alain?« Er drückte die Tür zum Schlafzimmer auf. Barakat saß auf dem Boden, den Rücken zum Bett, Kopf zurückgelehnt, Augen geschlossen, Speichelfetzen in den Mundwinkeln und am Kinn. Er trug ein ärmelloses Unterhemd, Boxershorts und Kniestrümpfe. Seine Schuhe standen zwischen seinen Beinen.
»O nein«, sagte Shaheen.
»Verschwinde«, murmelte Barakat.
Shaheen kniete auf dem Teppich neben Barakat nieder und wechselte ins Arabische. »Was hast du genommen? Kokain?«
Barakat öffnete die Augen. »Vielleicht … zu viel. Ist schon besser.« Er kicherte. »War ziemlich schlimm vor einer Stunde. Wahnsinn. Mein Blut … hat gebrannt.«
Shaheen richtete sich auf und schaltete die Lampe neben dem Bett ein.
Sofort rief Barakat: »Nein, mach sie aus!«
Shaheen schaltete sie wieder aus. Dabei entdeckte er den Beutel mit dem Kokain auf dem Nachtkästchen. Viel Kokain. Zu viel.
»Woher hast du das?«, fragte er.
»Hab Geld.«
»Nicht genug dafür«, widersprach Shaheen. »Vor drei Tagen hast du dir zweihundert Dollar von mir geliehen.«
»Verschwinde«, sagte Barakat noch einmal.
Shaheen sah ihn lange an, bevor er erklärte: »Wenn dein Vater das wüsste, würde er dich enterben.«
»Dann verrat’s ihm einfach nicht.« Barakat begann, mit den Armen zu fuchteln, und wollte aufstehen. Seine Augen waren schwarz wie Kohle. »Ich muss was essen.«
»Setz dich aufs Bett. Ich hol dir was …«
Barakat schüttelte den Kopf, um ihn
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